Apologie von Robert Barclay in der Übersetzung von 1776

15.3

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Rohdaten: Text wurde noch nicht gesichtet und korreliert.

Was nun das erste betrifft, so sagen wir ausdrücklich, daß es einem Christen nicht erlaubt sei, dergleichen Ehren:Titel, als Ew. Heiligkeit, Ew. Majestát, Ew. Excellena, Ew. Eminenz zc. zu geben, anzunehmen.

zu erst, weil diese Titel kein Stück desjenigen Titel. Gehorsams sind, den man der Obrigkeit und den Vors geseßten zu erreisen schuldig ist; so träget es auch zu der ihnen schuldigen Unterwürfigkeit weder etwas bei), noch beniinmet derselben auch etwas, als welche das rinnen be steht, daß man ihren gerechten und bils ligen Befehlen gehorchet, nicht aber in Titeln und Beylegung prächtiger Namen.

Zweitens

Unter dem

Titel.

Zweitens finden wir nicht, daß in der Schrift, so Evangelio. wenig unter dem Gesetz als Evangelio, dergleichen Tis

tul gebraucht worden wären. Sondern wenn sie mit Rönigen, Sürsten oder Edeln geredet, so has ben sie sich nur einer schlechten Benennung oder Anres de bedient, als, o König! und solches ohne Beys legung einiger fernern Bezeichnung, ausser etwan des

Namens desselben, als, o Rðnig Agrippa! Erlogene Drittens leget es den Christen eine Nothwendigs

keit, öfters zu lúgen auf; weil diejenigen, die solche Titel entipeder durch die Wahl oder Erbfolge erlan, gen, gar vielmals als solche befunden werden, die nichts wirkliches an sich haben, das dieselben verdies ne oder damit übereinstimmte. Als da haben einige, die sich Ew. Ercellenz oder Vortreflichkeit nennen lassen, gar nichts Fürtrefliches an sich; und derjenige, so Ew. Gnaden betitult wird, ist oft ein rechter Feind der Gnade; und der, den man soch-oder Wohlges

bohren nennt, hat sich bisweilen wenig hoher und Menschen adelicher Eigenschaften anzuinassen. Ich wundere verbinden mich, daß ich mich durch ein Menschen-Gebot oder nicht zulüs durch einen öffentlichen Befehl soll zwingen lassen, eine

Lüge zu sagen, und Gutes bäß, Böses aber hinges gen gut zu heissen. Idy móchte wissen, weldies Mens schen Gebot mich vor dem gerechten Gericht Gottes, allwo ich wegen eines jeden unnützen Worts Res chenschaft geben soll, in Sicherheit setzen kan? Und Lúgen ist noch etwas ärgers: Warlich, Christen solle ten sich schämen, daß solche Gesetze, die dem Gerek Gottes offenbarlich widersprechen, unter ihnen ges

funden werden. einwurf. Wollte jemand sagen, man mäste aus Liebe dars

für halten, daß solche Leute dergleichen Tugens Den befäfsen, weil ihnen doch der

Ronig diese Tis tul beigelegt, oder sie von solchen berstammten, Antwort. welche dieselben verdient; Sodient zur Antwort,

daf

gen.

daß die Liebe die Erkenntnis nicht aufhebt. Ich bin aus Liebe nicht verbunden, eine Lüge entweder zu glauben oder zu sagen: Nun ist offenbar, und kann nicht geleugnet werden, daß diejenigen Tugenden bei mans chen nicht zu finden sind, welche die ihnen beigelegs ten Titel ausdrücken; so werden sie auch nicht zuges ben, diejenigen deshalb anzureden, bei welchen diese Tus genden anzutreffen sind, sie müssten denn solche Würs den von ausjerlichen Fürjien erhalten haben. Daß deshalb diejenigen, die wahrhaftig fugendhaft sind, nicht nach ilren Tugenden beritult werden dürffen, weil sie von den Fürsten dieser Welt keine Freiheit dazu erlangt; und diejenigen, welche dicseiben nicht besis ken, müssen deshalb benennt werden, weil sie einen ofs fenen Brief dazu empfangen haben. Und alles dies fes geschieht von solchen, die da vorgeben, daß sie dessen Jünger sind, welcher seinen Jüngern gebote, sich von den Leuten nicht Meister nennen zu lassen; und ihnen verıneldete, solche könnten nicht glauben, welche Ehre von einander nähmen, und die Lha re, so von Gott allein wäre, nicht suchten. Dies fes ist denen, die in der Tat wahre Christen sein wollen, so klar, daß es keinen Beweis brauchet.

Vierdeens, was die Titel (Ew. Heiligkeit, Emi. Em. Heis nenz und ‘Ercellenz, so bei den Katholiken gegen den Gnaden. Papst und die Cardinále, etc. und Ew. Gnaden,

Ew. Herrlichkeit, Ew. Soawürden, so unter den Protestanten gegen ihre vornehmeGeistlichen, ger brauchet iverden, anlangt, ist foldhes ein redyt gotteslajterlicher Missbrauch. Denn wenn sie den Tis tul Heiligkeit und Gnade gebraudzen, weil sich dies Te Tugenden an einem Papst oder Bischoff finden sollen, wie kommen sie denn zudem Recht, sich solcher besonders und allein anzumassen? Sollte nicht seis ligkeit und Gnade bei einem jeden Christen sein? Und deshalb ein jeder Christ zu dem andern sagen, “Ew. gott

Heiligkeit,

Heiligkeit, Ew. Gnade? Hiernechst frage ich, wie sie mit Grund sich mehrerer Čitul anmassen konnen, als von den Aposteln und ersten Clyristen sind angenoms men, und gebraucht worden, vor deren Nachfolger sie ausgeben, und als deren Nachfolgern ihnen alle Ehre, die sie suchen, (und anders nicht ) wie sie, meis nes Erachtens, selbsturteilen werden, gebühret ? Da nun dieselben solche Ehre und solche Titel weder ges sucht, noch angenommen oder zugelaffen, wie koms men sie denn dazu? Wenn sie sagen, die Apostel und ersten Christen hätten sich deren bedient, so mögen sie es beweisen, wenn sie Fönnen. Wir finden ders gleichen in der Schrift nicht. Die Christen redeten, ohne einige solche Benennung, mit

den Aposteln. Sie sagten weder Ew. Heiligkeit, noch auch Ew, Gnas Ben, Ew. Herrlichkeit, Ew. Sochwürden gerus ben. So werden die Apostel auch nirgends Lord Peter, Lord Paulus, noch auch Magister Peter, Magister Paulus, oder Doctor Peter, und Docs tor Paulus; sondern nur schlecht weg Petrus und Paulus genennt. Und dieses nicht nur in der heilis gen Schrift, sondern etliche hundert Jahre hernach. Woraus augenscheinlich zu sehen, daß dieses eine

ofs fenbare Frucht des Abfalls sei. Denn wenn diese Eis tul entweder aus dem Amt oder der Würdigkeit der Person entspringen, so steht nicht zuleugnen, daß die Apostel solche weit besser verdient hätten, als alle dies jenigen, die heut zu Tag darnach schnappen. Allcis ne die Sache liegt am Tag. Die Apostel hatten die Keiligkeit, die fürtreflichkeit und Gnade; und dies weil sie heilig, fürtreflich, und gnadenreich waren,

so pflegten sie sich solcher Titel weder zu bedienen, noch Die Heuchs auch dieselben zuzulassen. Diese Leute aber besigen ler haben weder Heiligkeit noch auch fürtreflichkeit und Gnas nötig.

de; dalyer wollen sie durchaus deshalb genennt sein, ihs

ren

ren Ehrgeiz und Übermuth zu befriedigen, wels ches ein offenbares Kennzeichen ihrer Seucheley ist.

Fünftens, was den Titel majestát anlangt, der gemeiniglich gegen Fürsten und Herreni gebraucht wird, so finden wir nicht, daß solcher in der Schrift einem einzigen solchen beigelegt worden; sondern daß er auf eine besondere und ausnehmende Weise Gott dem Herren zugeeignet wird, als 1 Chron 29, 12. Hiob 37, 22. Psalm 21, 5. und 29, 4. ebenso 45, 3. und 93, 1. wie auch 96, 6. Jer. 2, 10. c. 24, 14. C. 26, 10. Hebr. 1, 3.2 Petr. 1, 16. und an viel andern Ortn mehr. Deshalb sagt Jus da v. 25. Dem Gott, der allein weise ist, sei Eh, re und Majestát ! und nicht den Menschen. Wir lesen in der Schrift, daß sich der stolze Rönig ries bucadnegar dieses Titels angemaßt, Dan.4, 20. welcher aber zu solcher Zeit, durch ein schnelles Ges richt, so über ihn fam, Fattfam bestraft wurde. Das her mird er auch in ganzen alten Testament in feis ner Anrede, deren sie sich gegen Fürsten bedient, ges funden, noch vielweniger aber ist er im neuen Testas ment anzutreffen. Paulus erwiese sich sehr höflich gegen den Agrippa, und dennoc) gicbet er ihm keinen solchen Titel. So ist auch dieser Titel von den Christen in den ersten Zeiten nicht gebraucht worden. Die Kirchen istorie von der Reformation in Frankreich meldet, wenn sie die Rede des Lord Ro. Eccl. Hitt.

1.4.2.445 chefort, bei Versammlung der Stände in Franks reich, so unter Carl dem Neunten im Jahr 1560. gehalten worden, anführt, was Massen dieses bei seiner öffentlichen Rede wohl angemerkt worden wäre, daß er das Wort Majestät nicht gebraucht hátte, welches die legten Jahre ber von Schmeich, lern erfunden worden. Und dennoch hat dieser em. Mateo Scribent nicht bedacht, welchergestalt sein Irleister nimtges der Calvinus, sich dieses schmeichelnden Titels ges braucht ttt 2

gen

keine Nels

worden; gen Francifcum den Ersten, König von Frank’s Die beffen reidy bedient. Und nicht nur dieses, sondern nens dung des

net ihn auch, in dem Brief vor seinen Instirutionibus, schehen den allerchristlichiten Rồnig. Da doch aus der

täglichen Verfolgung der Reformirten klar genug ers bellere, daß er, auch in des Calvinus eigenen Gedans ken, weit davon entfernt war. Gewiß, die Wils fáhrigkeit, womit man solchen eitlen Titeln beiges pflichtet, die von dem Antichrist eingeführet und aufs gedrungen worden, haben die Reformation nicht wes nig verðunkelt, und solche, nicht allein sehr aufgehals ten, sondern auch in vielen Stücken überaus mangels haft gemacht.

Ade diese Titel und Ehren-Bezeugungen sollen von Christen verworfen werden: Weil sie die ‘Ebre, die von oben berab kommt, und nicht die Ehre, die von unten her ist, zu suchen haben. Diese Eh, ren - Citul aber sind nicht diejenige Ehre, die von Os ben herab, sondern die von unten her Foinmet. Denn wir wissen ganz wohl, was vor Mühe, Fleiß und Arbeit die Menschen anwenden, diesen Land zu ers

langen, und welcher Teil es ist, der so lißig dará Das folze nach sstrebt, nämlich das stolze, vermessene, schwüls Gemüt stige und hochstrebende Gemüt. Denn man uts

teile nur selbst, ist es der fanftmüthige und uns schuldige Geist Christi, der solche Ehre begebret? Sit es derjenige Ojeist, der keine Ehre von den Mens

Tchen, und keinen Kuhm bei der Welt sucht; der Phil.3/ 20. seinen Wandel im Himmel hat, und die Gemeins

schaft mit den Kindern Gottes erwartet? Jstes dieser Geist, sage ich, der solche Ehre liebt, nach foldherEhre dúrstet, für die Erhaltung solcher Ehre streis tet; der wütet und tobet, fäumet und schaumet, mit

den Zähnen knirschet, und um sich schlägt, wenn ihm Lucifers solche Ehre versagt wird ? Oder, ist es nicht vielmehr

der herrschlüchtige, troßige Geist des stolzen Lucis fers, des Fürsten dieser Welt, der schon vor urs

liebt Dis tul.

alten

Geist.

alten Zeiten nach dieser Ehre strebte, und die Reis nem aufbäumenden Hochmuth) zu niedrig scheinende Behausung der Unterwürfigkeit verliesse? Und deshalb sind auch alle seine Kinder mit eben demselben boffárs tigen und aufgeblasenen Geist besessen, daß sie Ehrens Titel begehren und suchen, die ihnen doch gar nicht zukommen. Denn lasset uns nur untersuchen, (*) wer diejenigen sind, die in der Tat geehrt zu werden verdienen? Sind es nicht die Gerechten? : Sanu Sind es nicht die Heiligen? Sind es nicht, die %o 30. demütigen Kerzens und fanftmuthigen Geistes sind? Sind dieses nicht diejenigen, welche unter den Christen geehret werden sollten? Mögen aber unter diesen nicht arme Leute, geringe Tagelöhner und einfältige Fischer sein? Und wenn diesem deshalb ist, wie kommt es denn, daß die Ehren-Titel nicht auch) solchen beigelegt werden? Aber wer sind diejenis gen, welche diese Ehre insgemein annehmen und auch verlangen? Sind es nicht die Reichen? Solche, die einen Üeberfluß auf Erden haben, und dem reichen Schlemuner gleid, sind? Die hochmüthig und ehrs geißig sind? Welche die Armen unterdrücken? Die vor Wollust und Eitelkeit nicht wissen, was sie tun sollen, und vor dem aufgeschwollenen Dunst der übers flüßigen Nichtigkeit bald zerplaßen? Die, so ein rechy: ter Greul und aller Welt Plage sind? Sind dieses nicht diejenigen, die vor Ehrwürdig gehalten werden? Welche die Ehren - Titel begehren und erhalten?

Stolze

Hironymus in seinem Brief an Celanten erinnert sie, daß sie ihres dels wegen niemand vorzuziehen märe, denn die Christliche Religion liefse sein Ansehen der Person ju. So waren auch die Menschen nicht ihres aufserlichen Zustands halber zu schägen; sondern, nach der Beschaffenheit ihres Ges müths, entweder edel oder gering zu achten. Wer der Súns de nicht gehorce, der sei fren, wer start an Tugend wäre, der sei edel. Man leset die Epistel Jacobi.

Stolze Samans-Brüder? Nun sage mir jemand, ob dieses die Ehre ist, die von Gott kommt, oder die Ehre, die von unten ift? Ehret Gott solche, die ihn täglich verunelren, und ihm ungehorsam sein? Und wenn dieses nicht die Ehre ist, die von Gott kommt, sondern die Ehre von der Welt, welche die Kinder dies sei Welt einander geben und von einander annehmen; wie tonnen Kinder Gottes oder wahre Christen diese Ehre einander geben oder von einander annehmen, daß sie nicht die Bestrafung Christi treffen soll, welcher sagt, daß diejenigen, die solches tun, nicht glaus ben tönnen? Und wenn wir ferner die Ursache anses hen, welche insgemein den Leuten diese Ehren-Titel zuwege bringt, so ist unter tausenden nicht einer zu finden, der solche wegen einer Christlichen Tugend, sondern vielmehr wegen solcher Dinge empfängt, die unter den Christen fcheltens werth sind. äls durch Gunjt der Fürsten, so durch Schmeicheley, und oft durch noch viel ärgere Mattel erlangt wird. Ja, das Gemeinste, und welches bei den Menschen vor das Rühmlichsie gehalten wird, ist das Sechten, oder eine große Kriegs-Tat, die der Würde eines Christen nicht das Allergeringste beilegen fan. Zumal zu wünschen, daß unter den Christen ganz und gar kein Kechten und Fechten, Streiten und Kriegen wäre; denn wo dergleichen noch anzutrefen ist, da zeigt es an, daß es keine wahren Christen sind. Der Apostel Jacobus vermeldet uns, daß aller Streit und Krieg aus den Wollústen herkäme, cap. 4, 1. Daß es demnach den Christen besser anstünde, mit dem Schwerdt des Geistes wider ihre Lüfte zu streiten, als durch die Herrsdaft der in ihren Gliedern fireis tenden Wollúste einander selbst aufzureiben. Was auch irgends vor einige ehemals unter dem Gesetz auf diese Art vor Ehre erlangt haben, so finden wir doch unter dem Evangelio, daß die Christen wegen des

Leidens,

Leidens, und nicht des Streitens, gerühmet werden. So hat sich auch niemals einer unter Christi Jüngern, den einzigen Petrum ausgenommen, unterstanden, durch Gewalttätigkeit des Sdywerdes dusjerliche Rae che auszuüben. Und, obschon Petrus dem Malcho das Dhr abhieb, so erhielte er doch) deswegen keinen Ehren-Titel, sondern eine billige Bestrafung. Kurz zu sagen, wir mögen die eigentliche Beschaffenheit dieser Ehre, die Ursache derselben, die Mittel und Wege dazu zu gelangen, und die Bedingungen, mit welchen sie verliehen wird, betrachten, so kann fole the nimmermehr von denen gebraucht werden, welchen es ein rechter Ernst ist, wahre Christen zu sein.