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Zweitens, ist dieser Gewissens-Zwang der gesunden Vernunft und dem Gesetz der Datur selbst zuwider. Denn des Menschen Verstand kan
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durch alle leibliche Martern, die ihm andere Menschen antun können, absonderlidy in geistlichen und übers nacürlichen Dingen, unmöglich gezwungen werden. Klare und úberzeugende Beweis: Gründe aus der Vernunft und Schrift, nebst der bergrübs renden Kraft Gottes, sind es, die eines Mens fchen Gemüt verändern, und ihm eine andere Meinung be ihringen können, nicht aber Schlage und Folter, Senker und Büttel, und dergleichen; welche zwar den Leib verderben, aber die Seele nimmermehr unterrichten können, welche ein frei-wúrkendes Wesen ist, und Sachen, die in der Meinung bestehen, entweder annehmen oder verwerfen muß, nachdem ihr solche durch etwas, so mit ihrem eigenen Wesen eine Gleichheit hat, gleichsam aufgedrungen werden. Die Gemúther der Menschen auf eine andere Art zu zwingen suchen, heißt mit ihnen umgehen, als wenn sie wilde Tiere, ohne alle Vernunft und Verstand waren, und ist zus fekt, wenns um und um kommt, weiter nichts, als verlohrne Arbeit, und heisst, wie das gemeine Sprüchs wort sagt: Einen Mohren weiß waschen wollen. Die Menschen körmen zwar wohl auf diese Weise zu Seuchlern, nimmermehr aber zu wahren Christen gemacht werden. Und sicherlichy, die Früchte, wels che solcher Zwang (wenn auch gleich der Endzweck, nämlich ein äußerlicher Beifall oder Gleichförmigkeit, entweder in der Lehre oder im Gottesdienst, erhalten wird,) berfärbringt, können Gott, der kein Opfer, als ein solches, welches freiwillig und ohne Zwang aus dem Herzen entspringt, verlangt, keineswegs angenchm sein: Daß demnach die Menschen durch Zwang und Geralt, anstatt mahre Glieder der Kirs che zu werden, vielmehr zehnmal ärgere Sclaven des Catars werden, als sie vorher gewesen sind; ine dem ihrem Irrthum noch die Seucheley, als das
Alergste
Alergste und Schlimmste unter allen in Religionde Sachen, und welches des Herrn Seele über alles verabscheuet, beigefügt mird:
Dafern man aber sprechen wollte, inzwischen Einwurf. würde aber doch ihr Irrthum unterdrucker, und das Pergerniß aus dem Wege geräumet.
So antworte ich: Aufser dem, daß dieses eine von Antwort. Christo keineswegs erlaubte Methode ist, wie vorher bewiesen worden, so kann auch die Kirche keineswegs durch Vermehrung der Heuchler verbessert werden, sondern sie wird dadurch vielmehr höchlid verdorben und in Gefahr gebracht; denn offenbare Kegereyen kann man gewahr werden, und diejenigen meiden, die solchebes kennen, wenn sie durch
die ordentliche Kirchen-Zucht von der Christlichen Gemeine ausgeschlossen sind. Heimliche Heuchler aber können, so zu sagen, den ganz zen Leib ansiecken, ich will sagen, die ganze Gemeis ne verderben, ehe man es recht gewahr wird. Wenn die Widriggesinnten beberzt sind, und wegen der Meinungen, die sie vor recht halten, mit Kühnem und getrostem Muth leiden, so zeigt die Erfahrung, daß ein solches Leiden denen, so es angetan wird, öfters zum Rulm, den Verfolgern aber niemals zur Ehre gereicht. Denn solches Leiden gebiehret ordentlic cher Weise Mitleiden, und ermecfct in andern eine Neugierigkeit, desto fleißiger nach den Ursachen zu fors fchen, weswegen sie solche Leute so keck und getrost dergleichen Simach und Verlust erdulten sehen. So ist es auch vermögend, andern die Meinung beizubrins gen, es müsste doch etwas gutes sein, weswegen sie so viel auf sich nehmen können. Indem keineswegs wahrscheinlich, daß die Menschen alle das Jhrige das ran wagen würden, um bloß einen eitlen Ruhm zu ers jagen: Welches eben so wohl zur Verkleinerung des wohlverdienten Kulms der Märtyrer dienen mag, bis ein besserer Beweis darwider vorgebracht werden PPP p
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kan, als Strick und Scheiderbaufen sind. Aber gereßt, dieser Grund - Sak hátte seine Richtigkeit, daß die Obrigkeit macht hätte, die Gewissen ihrer Unterthanen zu zwingen, und solchezu bes strafen, wenn sie sich ihrem Willen nicht gemaß bezeigen wollen; so werden sehr große Ungelegens heiten und ungereimte Handeldaraus erfolgen, ja sols che die mit dem Wefen der Christlichen Religion nicht bestehen können.
Denn, erstens, wird ganz natürlich daraus fols gen, daß der Obrigkeit solches zu tun obliegt, und daß sie fündiget, wenn sie ihre Pflicht in die sein Stüs ofe unterlässt. Würde aber nicht alsdann hieraus geschlossen werden, daß Christus seiner Kirche nicyt vollkommen vorgestanden, sondern sich gleichsammans gelhaft erwiesen, da es ihm nicht an Macht gefehlt, vielen Legionen Engeln zu rufen, und die Leute mit Gewalt zu seiner Lehre zu zwingen, nichts destowes niger aber solche Macht nicht ausgeüber, sondern seine Kircher ohne ein fonötiges Bollwerk, der Barmhers zigkeit der Gottlosen überlassen habe?
Zweitens, da eine jedwede Obrigkeit ihre Gewalt nach ihrer besten Erkenntnis, und nach allem Verstand, den ihr Gott gegeben, zu Beförderung dessen, was sie in ihrem Gewissen als Wahrheit erkennt, auszus üben verbunden ist, so frage ich, ob nicht dieses alle heydnische Rayser wegen ihrer an den Christen vers übten Verfolgungen rechtfertigen wird? Würde es nicht die Spanische Inquisition oder Reger-Bes strafung, die doch nicht nur bei Protestanten, fons dern auch bei vielen gemäßigten Katholiken selbst, höchit verhaßt ist, rechtfertigen ? Wie können die Proces stanten die Katholiken mit Recht tadeln, daß sie sich von ihnen müssen verfolgen lassen, da dieselbe doch nur eine rechtmäßige Gewalt nach ihrem Gewissen und bes sten Erkenntnis ausüben; und ihnen nicht mehr tun,
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als sie, die die Verfolgung leiden, selbst tun würden, wenn sie dergleichen Macht befassen? Welches mas chet, daß man mit denen, die Verfolgung leiden, gar Fein Mitleiden hat, da doch dieses ehemals die Urfas che war, welche denen Christen so großen Ruhm ers warb, daß sie als Unschuldige litten, die weder jes mand beleidiget, noch auch, ihren Grund-Satzennach, jemand beleidigen wolten oder konnten. Allein es fins det sich wenig Ursache, ein Mitleiden gegen denjenia gen zu bezeigen, dem deshalb begegnet würde, wie er, wenn er das Vermögen dazu bätte, mit andern ums geben würde. Denn wenn man sagen will, sie has ben keine Ursache, uns zu verfolgen, weil sie uns recht, wir aber recht haben, so heißt solches abers mal den Beweis der obhandenen Streit - Frage auf eine erbärmliche Weise betteln. Stárket nicht diese Lehre die Hände der Verfolger an allen Ortn, und zwar ganz vernünftig, aus einem Grund der Selbits Erhaltung? Denn wer kann mich. tadeln, daß ich denjenigen aus dem Wege räume, der auf eine Geles genheit harrt, mich, wenn er könnte, aus der Welt hinaus zu schaffen? Ja, dieses macht alles, der Res ligion wegen, erdultete Leiden, welches ehemals der Christen einzige Ehre war, zu einer pur lautern Noths wendigkeit, wodurch sie nicht als Lämmer zur Schlachtbank geführet werden müssen, wie dent Sers zoge ihrer Seligkeic widerfuhr; sondern vielmehr als Wolfe, die in Neßen gefangen sind, die nur bloß deßmegen nicht wiederbeissen, weil sie dazu unvermögend find; aber wenn sie. Gewalt überkommen könnten, sich gleich fertiger würden finden lassen, dies jenigen eben denselben Weg zu führen, den sie geführet iperden. Wo bleibt da der Glaube und die Ges dult der heiligen? Denn wirklich, dieses ist eine gar fdslechte Ehre, wenn man aus der Notb. eine Tus gend macht und leiden muß, weil man solches nicht
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von sich abwälzen kan. Auf solchen Schlag würde ein jedweder Dieb und Mörder ein Märtyrer sein. Die Erfahrung hat dieses in den legten hundert Jahs ren her fattfam bestätigt. Denn so sehr eine jede Partbei in solchen Fäden vom leiðenden Gehorsam gegen die Obrigkeit redet, und, daß dieselbe Gewalt habe, aufs eyfrigste vertheidiget; so erbelet doch aus genscheinlich, daß aus diesem Grundsatz natürlicher Weise folgt, welcher gestalt eine jedirede Parthey, weil jede recht zu haben vermeint, sich, so bald sie nur Vermögen dazu erlangte, auf alle ärt und Weis se bemüben würde, zu oberst zu kommen, damit sie diejenigen, so von einer andern Meinung, unter sich bringen, und die Obrigkeit nötigen möchte, ihre Religion, zum Untergang aller andern, zu unterstüßen. Was vor Känke der Papit zu Roin gebraucht, feis ne angemaßte Gewalt in diesem Stück unter dem Vorwand des Miffallens, so er, auch wegen der als lergeringsten vorgegebenen Keßerey, gegen ein oder den andern Prinzen oder Staat gefasset, auszuüben, da er Fürsten abgeseßet, und ihre Unterthanen wider sie aufgemiegelt, und, zu Beförderung seines Eigens nukes, ihre Herrschaften andern Fürsten gegeben hat, kann denen nicht unbekannt sein, die das Leben des Sildebrands gelesen haben; und wie die Protes ftancen ihre Gewissens- Freiheit auf gleiche Weise bertheidigt haben, liegt am Tage. Sie fitten in Frankreich nicht wenig; zum großen Wachstum und Vorteil ihrer Parthey. Alleine, so bald sie sich stark genug befanden, und einige Prinzen auf ihre Seite bekamen, ließn sie dem König wissen, daß man ihnen die Freiheit ihres Gewissens verstatten fole te, oder sie würden sich solche selbst, (nicht durch Leiden, sondern durch Streiten) zu verschaffen fus chen. Und die Erfahrung weifet bei andern Protes stantischen Staaten gleichfalls aus, daß, wenn Heinsrich IV.
den Katholiken zu Gefallen, nicht die Religis on aufgegeben hätte, desto frieblicher zur Crone zu ger langen, und deshalb die Protestanten durch das Schwerdt die Oberhand behalten hätten, sie die Katholiken eben so wohl mit dem Scheiterhaufen bekehrt und zum
Pfahl geführet haben würden. Daß demnach dieser 1 Grund San der Verfolgung, bei allen Partheyen
die Ursache und Quelle alles solchen Elends und Zwies trachts ist. Denn so lange, als einiger Teihn der Meinung steht, daß es ihm nicht nur erlaubt, sondern auch noch dazu, wenn er Gewalt besiget, seine Schuldigkeit sei, diejenigen, fo, der Bekenntnißnach, von ihm unterschieden sind, zu vertilgen, so folgt ganz natürlich daraus, daß er alle mögliche Mittel gebraus den müsse, diejenige Gewalt zu überkommen, wos durch er sich, mit dem Untergang seiner Widerpart, in Sicherheit Regen möge. Und daß es die Katholiken
keineswegs vor unrecht halten, die Obrigkeit, wenn * sie stark genug sind, mit Gewalt dazu zu zwingen, bes
zeuget die Erfahrung. Indem es ein bekannter pas pistischer Grund-Satz ist, daß der Papst einen kegerischen Fürften absetzen, und seine Unterchas nen von dem ihm geleisteten Eid der Treue loßs sprechen könne. Und dieses hat der Papst, wie vors her gemeldet worden, an verschiedenen Fürsten bes wicsen; wie denn Bellarminus diese Lehre, wider Barclajum, öffentlid, vertheidigt hat. Die Franzosen wollten Seinrich IV. nicht eher vor ihren König ers kennen, bis er seine Religion veranderte. Und was die Protestanten betrifft, nehmen sich viele darunter kein Bedenken, zu behaupten, daß man gotclore Ros nige und Obrigkeiten abrégen und tooten möge. Ja unsere Presbyterianer in Schottland halten hierüber so streng, als irgends einige unter den gefuis tern. Sie wolten Rönig Carin II. ungeachtet er ein protestantischer Prinz war, nicht buldigen,
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es sei dan, daß er der bischöflichenKirche absage; welches zwar eine Sache von eben keinein gar grof fen Unterscheid, dennoch aber wider sein Gewissen war.. Wie wenig aber diese Dinge mit dem Wans del der ersten Christen, und der durch Christus und seine. Apostel fortgepflanzten Religion übereinstims men; bedarf keines großen Beweises. Und es ist merk. würdig, daß, ungeachtet sich sonst viele andere aber, glaubische Mißbräuche sehr frühzeitig in die Kirche einschlichen, dennoch diese angemaßte Verfolgung mit dem Wesen des Evangelium, und der von uns bes haupteten Gewissens-Freiheit, als einem der Christe lichen Religion gleichsam einverleibten, eingepflangs ten, und natürlichen Stück, so wenig bestehen konns te, daß fast alle Christlichen Scribenten, in den ers sten dreyhundert Jahren, ernstlich darvor streiten, und die darwider laufende Meinung des Gegenteils verdammen.