14.1
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E 8 ist die Materie von der Gewissens: Freiheit,
die einem jeden von der Gewalt der bürgerlichen Obrigkeit erlaubt werden soll, einige Jahre her so weitläuftig und gelehrt abgehandelt worden, daß ich nicht nötig babe, mich hierbei etwas anders als der Kürze zu befleissen. Es ist aber zu beklagen, daß so wenige diesem Grund-Satz gemäß gewandelt haben; indem ein jeder Teil solches für sich selbst angefülret, und sich darmit verschanzet, andern aber solches kaum einräumen wollen, wie ich hernach bei Geler genheit weitläuftiger anmerken werde.
Es wird, allen Mißverstand aus dem Wege zu räumen, zuförderst nötig sein, etwas von der eigents lichen Beschaffenheit der Streitfrage zu gedens ken, damit das folgende deito deutlicher verstanden worde. Durch das Gewissen ist demnach, wie ich
bei) Erklärung des fünften und rechsten Šabes bes Was das merket habe, diejenige Überzeugung des Gemüts Gewissen
zu verstehen, welche daher entsteber, wenn der Verstand dergestalt mit einer Meinung einges nommen ist, daß er solche entweder gewiss vor
wabe
ift?
wahr oder falsch balt. Ob nun schon soldies der Sache an sich selbst nach falsch oder böse sein möchte, sowürde doch ein Mensch, wenn er wider die Übers zeugung seines Gewissens handelte, eine Sünde bes gehen; weil dasjenige, was ein Mensch wider seinen Glauben tut, wenn auch gleich) sein Glaube unrecht ware, Gott keineswegs angenehm ist. Daher fas get der Apostel: Was nicht aus dem Glauben ges het, das ist Sünde. Und der da zweifelt, so er Kom. 14, iffet, der ist verdammt: Ungeachtet solches einem andern möchte erlaubt gewesen sein. Und da diese Zweifelhaftigkeit, eine gewisse Art Speise zu essen, (Da doch alle Creatur Gottes gut, und dem Niens fchen zu nus gegeben ist, wenn sie mit Danksag. ung genossen wird) ein Aberglaube oder zum we. nigsten eine Schwachheit sein könne, so wäre es am besten, wenn solcher abgeholfen würde. Daher spricht Aines de Cal, Consc. Das Gewissen, ob es schon irrig, verbinder dennoch; deshalb, daß derjenige fündiget, der etwas wider sein Gewissen thur, () weil er wider den Willen Gottes bandelt, (). c. obschon nicht in der Sache selbst oder wahrhaft e baie tiglich, dennoch in der Art und Weise, und wie solches kann ausgelegt werden. (Quamvis non materialiter & vere, tamen formell & interpre- tative.)
Also ist dieses die Frage, und zwar erstens, ob die bürgerliche oder weltliche Obrigkeit macht bao be, die Menschen in Sachen, so die Religion be. treffen, zu zwingen, wider ihr Gewissen zu ban. deln; und wenn sie solches nicht tun wollen, sie an ihrem Vermögen, an ihrer Freiheit, Saab und Gütern, oder wohl gar an Leib und Leben zu stras fen? Hierauf antworten wir mitrein,und halten sols ches allerdings vor Unrecht. Zweitens aber gleidylvie unser Wunsch ist, die Obrigkeit möchte sich solches N nan
Ertrimitát
Ertrimität, wodurch) sie sich einer Gemalt über der Menschen Gewissen anmasset, enthalten; deshalb sind wir im Gegenteil auch weit von der Neigung entfers net,daß wir uns mit denjenigen Sreys Geistern vereis nigen,oder sie in ihrer Bosheit stärken sollten, die da verlangen, ihre Gewissens-Freiheit soll sich bis zum Nachteil des Nachften oder wohl gar zum Unters ganz der menschlichen Gesellschaft erstrecken. Wir verstehen demnach durch Gewissens. Sachen solche, die eine unmittelbare Verwandtschaft zwischen Gott und Menschen, oder zwischen den Menschen unter eins ander selbst haben, die unter einerlei Überzeugung stehen, oder einerlei Meinung begen. Als, wenn sie zusammen kommen, und Gott auf solche Art vereha ren, welche sie vor die ihm wohlgefälligste und anges nebinste halten; nicht aber, daß man zu weit um sich greife, sich anmasse oder fuche, reinen Nädysten auf andere Weise, als durch Vernunft und tüchtige Grúns de, oder andere dergleichen erlaubte Mittel, deren sich Christus und seine Apostel bedient, nämlich denenjes nigen zu predigen, und sie zu unterrichten, die foldjes hören und annehmen wollen: Keinesweges aber uns ter dem Schein des Gewissens etwas, so den sittlichen und beständigen Gesetzen, die von der ganzen Chris stenbeit, oder von allen Christen insgemein zugestans den werden, zuwider ist, vorzunehmen. In welchem Fall die Obrigkeit ihre Gewalt init Recht gebrauchen mag; als bei denen, die, unter dem Dormand des Gewissens, dieses zu einem Grund Satz machen, es sei Recht, alle Gottlosen, das ist, alle diejenigen, die von ihnen der Meinung nach untersdieden sind, zu tódten, und von dem Erdboden zu vertilgen; damit sie, als die Heiligen, allein regieren und herrschen mögen, und dahero ade Dinge gemein zu machenfus chen, und andere zwingen, ihr Vermögen mit ihnen zu teilen, und was dergleichen barbarische Meynuns
gen
gen mehr sind; wie von den Wiedercäufern zu Münster berichtet wird; welches, wie augenscheins lich zu erkennen ist, von nichts anders, als Hochmuth und Geiß, und keineswegs von der Lauterkeit oder dem Gemiffen herrührt. . Und derobalben habe ich mich hierwider bereits in dem lekten Cheil des Gas Bes genugsam verwahret. Sondern die Freiheit, deren wir uns anmassen, ist eine solche, welche die ers ften Christen unter den heidnischen Kaisern mit Recht und Billigkeit suchten, nämlich, daß Leute von einem bescheidenen, ehrlichen und friedsamen Wandel die Freiheit ihres Gewissens gegen Gott, und. die ungebinderte Uebung ihres Gottesdienste uns ter einander selbst, ungestört geniessen, auch diejenis gen, die in ihren Gemütern eben derjenigen Walırs beit, die sie hegen, überzeugt werden, ohne deswegen von der rettlichen Obrigkeit Verfolgung oder Bes schwerde zu leiden, unter sich auf-und amnehmen mos gen. Drittens, obschon unfer Wunsch und Verlans gen ist, daß niemand, seiner innerlichen Überzeugung halber, an seiner zeitlichen Haab und Gütern verkúrs zet, oder als ein Bürger und Mitglied des gemeinen Wefens seiner Freiheiten oder Privilegien beraubet werden möchte; so ist doch keineswegs unfere Meys nung, daß in der Gemeine Gottes Feine gebührende Kirchen-Zucht, so wohl gegen solche, die in Jrrthum verfallen, als wirkliche Strafe an solchen, die offens bare Bosheit begehen, ausgeübt werden sollte. Und daher glauben wir, daß eine Christliche Gemeine ganz recht daran thue, wenn sie einige von ihren Gliedern in einen Frrthum gerathen siebet, und solche, nach eis ner der Ordnung des Evangelium gemassen und ges bührenden Erinnerung und Unterreifung, dennoch hartnäckigt und widerspenstig befindet,’ durch das Schwerdt des Geistes von ihrer Gemeinschaft aus: schliesset, und ihnen diejenigen Frepheiten entziehet, Nnnn 2
welche
welche sie als Mitglieder derselben zu geniessen gehabt; nicht aber daß man sie durch das weltliche Schwerdt aus dem Wege räume, und sie ihrer allgemeinen Vors zuge, die sie als Menschen und Bürger haben, beraus be; angefehen sie solche nicht als Christen, oder als unter einer solchen Gemeinschaft stehende, sondern als Mensdien und Glieder der Schöpfung geniessen. Das ber Chrysostomus (de Anathem) Febr wohl sagt: Wir müssen die bösen Lehren, die von Regern herrübren, verdammen und bestrafen; der Mens fchen aber verschonen, und vor ihre Seligkeit bären.