Apologie von Robert Barclay in der Übersetzung von 1776

11.10 - Biblische Begründung

Bearbeitungsstand

Status: 1.Durchsicht. Text wurde noch nicht gesichtet, Formatierung gesetzt und erste Korrekturen gemacht.

Daß es eine allen Menschen obliegende Pflicht und Schuldigkeit sei, auf Gott zu harren, und vor ihm zu wachen, wird, meines Erachtens, niemand leugnen. Und daß dieses gleichfalls ein Stück des Gottesdienstes oder der göttlichen Verehrung sen, kan eben so wenig in Zweifel gezogen werden. Zumal kaum eine andere Pflicht in der heiligen Schrift so oft geboten und eingeschärft wird. Wie zu erstem

  • Psalm 27,14 1
  • Psalm 37,7 2
  • Psalm 37,34 3
  • Sprüche 20,22 4
  • Jesaja 30,18 5
  • Hosea 12,6 6
  • Sacharja 3,8 7
  • Matthäus 24,42 8
  • Matthäus 25,13 9
  • Matthäus 26,41 10
  • Markus 13,35 11
  • Markus 13,37 12
  • Lukas 21,36 13
  • Apostelgeschichte 1,4 14
  • Apostelgeschichte 20,31 15
  • 1.Korinther 16,13 16
  • Kolosser 4,2 17
  • 1.Thessalonicher 5,6 18
  • 2.Timotheus 4,5 19
  • 1.Petrus 4,7 20

Diese Pflicht wird auch öfters mit sehr großen und herrlichen Verheissungen angepriesen. Als

  • Psalm 25,3 21
  • Psalm 37,922
  • Psalm 69,623
  • Jesaja 40,3124
  • Klagelieder 3,25+2625

Die auf den Herren harren, kriegen neue Kraft etc. Nun, wie geschieht dieses harren auf den Herrn, und dieses Wachen vor ihm anders, als durch dieses Stillschweigen, davon wir geredet haben? Denn gleichwie dasselbe an sich selbst eine wichtige Hauptpflicht ist; deshalb geht es auch notwendiger Weise, beides der Art und Zeit nach, allem andern vor. Damit es aber desto besser und vollkommener verstanden werden möge, so ist zu wissen, daß es nicht nur ein äusserliches Schweigen des Leibes, sondern ein innerliches Schweigen des Gemüts von allen seinen eigenen Gedanken und Einbildungen sein. Weswegen man denn, nach dem der Wahrheit gemäß und vorher bekräftigten und bewiesenen Grundsagen und Lehren, zu erwägen hat, daß der Mensch auf zweierlei Weise zu betrachten sei, nämlich, in seinem natürlichen, unwiedergebohrnen und gefallenen Zustand, und dann in seinem geistlichen und seligen Stande der Erneuerung. Woraus der Unterschied zwischen dem natürlichen und geistlichen Menschen entspringt, der von dem Apostel so oft gebraucht wird, und von welchem mir schon vorher Meldung getan haben. So rühren auch die zwei Geburten des Gemüts von dem zweierlei verschiedenen Samen im Menschen her, nämlich der gute Samen und der böse. Und von dem bösen Samen entspringen nicht nur alle Arten der groben und abscheulichen Ruchlosigkeit; sondern auch Heuchelei, und diejenige Gottlosigkeiten, welche die Schrift geistlich nennt; weil es die Schlange ist, die in, und durch den natürlichen Menschen in Dingen, die geistlich sind, wirkt. Welche, da sie den Schein des Guten haben, um so viel desto schädlicher und gefährlicher sind, weil es der in einen Engel des Lichts verstellte und sich verstellende Satan ist. Daher die Schrift den natürlichen Menschen auf eine so dringende und vielfältige Weise (wie wir vorher anzumerken Gelegenheit gehabt haben) davon ausschliesst, daß er sich nicht mit den Dingen, die aus Gott sind, vermengen, sondern seine eigene Bemühung darinnen verleugnen solle; und wenn sie auch von den vortrefflichsten Gaben der Weisheit, Beredsamkeit und Aussprache verrichtet würden.

So ist auch diese geistliche Gottlosigkeit von zweierlei Arten, ob sie wohl, dem Geschlecht nach, einerlei sind, weil sie von einerlei Wurzel entspringen, dennoch in ihren Graden und auch bisweilen bei den Personen, wo sie anzutreffen, unterschieden sind. Die eine ist, wenn sich der natürliche Mensch mit geistlichen Dingen, so die Religion betreffen, vermengt, und darinnen wirkt, daß er aus seinen eigenen Einbildungen und Mutmassungen unrechte und irrige Meinungen und Begriffe von Gott und geistlichen Dingen bekräftigt und vorträgt; abergläubische Gebrauche, Zeremonien, Beobachtungen und Gewohnheiten des Gottesdiensts erfindet: Woraus alle Ketzereien, und alle abergläubischen Missbräuche, die unter den Christen zu finden, ihren Ursprung genommen haben. Die andere ist, wenn der natürliche Mensch, aus einer bloßen Überzeugung seines Verstandes, durch die Übereilung seines vorwitzigen Eigenwillens, und durch seine eigene natürliche Kräfte, ohne dem Einfluss und der Leitung des Geistes Gottes, sich für nimmt, entweder in seiner fleischlichen Vernunft sich göttliche Dinge einzubilden, und denselben nachzudenken, oder dieselben durch Predigen und Beten wirklich verrichtet oder andern vorträgt. Das erste geschieht, wenn er beides in der Sache und in der Gestalt verfehlt. Das zweite ist, wenn er zwar die Gestalt, aber ohne des Lebens und des Wesen des Christentums beibehält: Weil die Christliche Religion nicht in einem bloßen Beifall besteht, daß man die wahren Lehren glaubt; oder in einer bloßen Vollziehung solcher Werke, die an sich selbst gut sind. Sonst möchte der bloße Buchstabe der Schrift, ob er schon von einem Trunkenbolde oder Teufel ausgesprochen würde, Geist und Leben genannt werden. Nun halte ich aber dafür, es werde niemand so ungereimt handeln, daß er solches behaupten wollte. So würde auch folgen, daß, wo sich die Gestalt der Gottseligkeit fände, auch die Kraft daselbst anzutreffen sein müsste, welches den ausdrücklichen Worten des Apostels zuwider ist. Denn die Gestalt der Gottseligkeit kann da nicht statt haben, wo entweder die Begriffe oder Meinungen, die geglaubt werden, irrig und gottlos sind, oder die Werke, die man tut, böse und ungerecht sind; denn solches würde die Gestalt der Gottlosigkeit und nicht der Gottseligkeit sein: Hiervon aber hernach mit mehreren, wenn wir vom Predigen und Beten insbesondere handeln werden. Ob nun schon dieses letzte nicht so arg ist, als das erstere, so hat es doch den Weg dazu gebahnt. Denn da die Menschen erstens von dein Leben und Wesen der wahren Religion und der wahren Anbetung, nämlich von der innerlichen Macht und Kraft des Geistes, abgewichen sind, das sie darinnen gewirkt, und dadurch alle Werke belebt hätten; so haben sie nur die Gestalt und den Schein, nämlich, die Worte und den Schatten behalten: Und da sie deshalb in ihrem eigenen natürlichen und unerneuerten Willen in dieser Gestalt gewirkt, so musste die Gestalt notwendig auch bald verdorben und geschändet werden. Denn der wirkende und geschäftige Geist des Menschen konnte sich nicht in der Einfalt der Wahrheit, die ihm zu schlecht und gering schiene, halten; sondern gab seinen eigenen unzähligen Erfindungen und Einbildungen nach, und fing an die Gestalt auch zu verändern, und solche nach seinen eigenen erdichteten Einfällen einzurichten, bis die Gestalt der Gottseligkeit nach und nach meistenteils, so wohl als die Kraft verloren ginge. Denn diese Art der Abgötterei, wodurch der Mensch seine eigene Begriffe, Einbildung und Hirngeburten liebt, verehrt und erhebt, ist etwas so gemeines bei ihm, und gleichsam seiner gefallenen Natur einverleibt, daß, so lange sein natürlicher Geist sein erster Urheber und Beweger ist, Durch welchen er in seinem Gottesdienst allein geleitet und getrieben wird, daß er nicht erst auf eines andern Wegweisers Führung wartet, er die reine, geistliche Anbetung nimmermehr vollziehen, noch auch etwas anders, als die Frucht des ersten gefallenen, natürlichen und verderbten Wurzel hervor bringen kan. Nachdem deshalb die von Gott bestimmte Zeit herbei gekommen ist, worin Jesus Christus den wahren geistlichen Gottesdienst wieder herzustellen, nach seiner Weisheit und nach seinem Wohlgefallen, vor gut befunden, und die äußerliche Gestalt Der Anbetung, welche den Juden, nebst der Art und Zeit ihrer Vollziehung, von Gott selbst besonders beschieden war, ihr Ende erreicht hat, to finden wir, daß Jesus Christus, als der Urheber und Stifter Christlichen Religion, seinen Glieder keine Gesetze Form oder Gestalt des Gottesdiensts unter der reinen Austeilung des neuen Bundes vorschreibt;26 ausser daß er ihnen nur vermeldet, daß die Anbetung heutzutage auf eine geistliche Weise, und im Geist zu verrichten sei. Und es ist besonders zu merken, daß in dem ganzen neuen Testament, in diesem Stück, keine Ordnung vorgeschrieben, auch kein Gebot gegeben ist; sondern, daß man der Offenbarung des Geistes folgen solle: Dieser einzige Befehl ausgenommen, daß sich die Christen versammeln sollen. Welches eine Sache ist, die von uns herzlich gern zugestanden, und fleißig beobachtet, und ausgeübt wird, wie hernach mit mehrerm erhellen soll. Es wird zwar der Pflichten des Betens, Predigens und Singens Meldung getan; alleine, was für Ordnung darinnen gehalten werden sollte, oder daß man deshalb bald damit anfangen müsste, sobald die Heiligen zusammen gekommen sind, davon ist nicht ein Wort zu finden. Ja, diese Pflichten werden gleichwohl (wie hernach erhellen soll) dem Beistand, den Leitungen und Bewegungen des heiligen Geistes beifügt. Da nun der Mensch in seinem natürlichen Zustand solcher Gestalt von aller Willkür, sich mit geistlichen Dingen zu vermengen, und darinnen zu wirken oder handeln, ausgeschlossen ist, wie, und auf was vor Weise soll er diese erste und vorhergehende Pflicht des harrens auf Gott anders ausüben, als durch Schweigen und Bestreben, solche natürliche Neigung zu einer Stille zu bringen? Welches auf keine andere Art geschehen kan, als daß er von seinen eigenen Gedanken und Einbildungen, und von allen Bewegungen und Selbstwirkungen seines Gemüts, und zwar sowohl in Dingen, die an sich selbst gut, als in solchen, die böse sind, absiehe: Auf das Gott, indem er schweigen und Stille ist, in ihm reden, und der gute Same aufgehen möge. Dieses, ob es schon dem natürlichen Menschen schwer ankommt, ist der Vernunft, wie auch der natürlichen Erfahrung in andern Dingen so gemäß, daß es nicht geleugnet werden kan. Einer, der etwas von seinem Lehrmeister zu lernen gedenkt, der muß warten und seinen Lehrmeister anhören und sich von ihm unterrichten lassen, nicht aber unaufhörlich von der Sache reden, die ihm gelehrt werden fol, und niemals ruhig sein; wie soll sonst sein Lehrmeister Zeit haben, ihn zu unterweisen? Ja, obschon der Schüler noch so begierig wäre, die Wissenschaft zu lernen, so würde dennoch Ser Lehrmeister Ursache haben, ihn als einen verkehrten und ungelehrigen Menschen zu bestrafen, wenn er allewege vor sich selbst zufahren, immer das Wort ganz alleine haben, und unaufhörlich schwatzen, nicht aber in stiller Gelassenheit warten und anhören wollte, mas ihm sein Meister lehren und sagen werde: Da er vielmehr seinen Mund nicht eher auftun sollte, als bis ihm sein Meister Befehl und Erlaubnis dazu gäbe. So würde auch einer, der einem großen Herren oder Fürsten aufwarten wollte, vor einen unverständigen und tollpatschen Kerl gehalten werden, welcher, wenn er geduldig und mit Bescheidenheit warten sollte, daß er dem Fürsten, wenn er redet, antworten könne, und verpflichtet wäre, kein Auge von ihm zu verwenden, sondern die geringsten Bewegungen und Neigungen seines Willens zu beobachten, demselben immer in die Rede fallen, und mit seiner Schwatzhaftigkeit die Ohren vollmachen wollte, menn es auch gleich auf dessen Lob angesehen wäre; oder wenn er, ohne besonderen dazu erlangten Befehl, hin und wieder laufen, und allerhand Geschäfte verrichten wollte, die vielleicht an sich selbst gut sein, und anderen zu anderer Zeit befohlen sein möchten: Sollte ein weltlicher König dergleichen Diener und Bedienung annehmen? Dieweil uns dann geboten ist, fleißig auf den Herren zu harren; da uns die Verheissung geschehen, daß wir neue Kraft kriegen sollen, und unsere Stärke erneuert werden soll, wenn wir solches tun; so kan dieses Harren nicht anders als durch ein Schweigen oder Ablassen von der natürlichen Neigung an unserm Teil vollzogen werden. Massen sich Gott nicht sowohl dem äußerlichen Menschen und den äußerlichen Sinnen offenbart, als dem innerlichen, nämlich der Seele und dem Geist. Wenn die Seele immerdar in ihrem eigenen Willen denkt und wirkt, und sich in ihren eigenen Einbildungen geschäftiger Weise übt, so macht sie sich dadurch, obschon die Sachen an sich selbst gut sein und von Gott handeln mögen, dennoch unfähig, die stille und leise Stimme des Geistes zu vernehmen; und tut sich deshalb den größten Schaden, indem sie ihr vornehmstes Geschäfte, welches darinnen besteht, daß sie auf den Herren harre, verabsäumt. Nicht anders, als wenn ich mich selbst emsig erweisen, und von einem Geschäfte viel Schreiens, Redens und Wesens machen, unterdessen aber ausschlagen wollte, einen anzuhören, der mir fachte ins Ohr sagte, was ich tun sollte, und mich in den Umständen unterrichtete, die mir bei solcher Sache zu hören und zu wissen am nötigsten waren. Und zumal es das vornehmste Werk eines Christen ist, den natürlichen Eigenwillen in seinen verderbten Bewegungen gekreuzigt zu wissen, auf daß sich Gott sowohl im Werk als Willen bewegen möge; so sieht der Herr diese tiefe Unterwürfigkeit und Selbstverleugnung zuvörderst an. Denn einige Menschen belustigen sich so sehr an ihren eigenen Begriffen, und vergnügen. sich so sehr an ihren eigenen Begriffen, und vergnügen ihren fleischlichen Willen und ihre sinnlichen Neigungen so sehr an hoben und spitzfindigen Betrachtungen der Religion, indem sie einen großen Namen und Ruhm darinnen suchen, oder weil ihnen solche Dinge durch die Gewohnheit oder auf andere Weise angenehm und gleichsam zur Natur worden, ob sie schon innerlich in ihrem Geiste nicht um ein Haar mehr wiedergeboren und geheiligt sind; als andere ihre Lüste und Begierden in wirklichen Werken des Fleisches sättigen: Und deshalb sind beide dem Menschen auf gleiche Art schädlich, und in den Augen Gottes sündlich, indem solches weiter nichts ist, als die bloße Frucht und Wirkung von des Menschen natürlichem und unerneuertem Willen und Geist. Ja, sollte einer, (mie sonder Zweifel viele tun) aus einer Empfindung der Sünde und Furcht vor der Strafe, sich durch vielfältige Betrachtung des Todes, der Holle und des Gerichts von Sünden abzuschrecken, und hingegen durch Vorstellung der himmlischen Freude und Glückseligkeit, wie auch durch Vermehrung des Gebets und anderer geistlichen Vollziehungen, im guten zuzunehmen suchen; so würden ihn doch diese Dinge, ohne die geheime und innerliche Kraft des Geistes und der Gnade Gottes, nimmermehr von einer einzigen Ungerechtigkeit befreien, und deshalb mehr nicht bedeuten, als die Feigenblätter, womit Adam seine Blösse zu bedecken vermeinte. Und da es nur die Frucht von des Menschen angeborenem Eigenwillen ist, die aus der Selbstliebe entspringt, und sich selbst zu helfen sucht, und nicht lauterlich von demjenigen göttlichen Samen der Gerechtigkeit herrührt, welcher von Gott allen zur Gnade und Seligkeit gegeben ist, so wird es von Gott verworfen, und ist ihm keineswegs angenehm. Zumal der natürliche Mensch, als natürlich, so lange er in solchem Zustande steht, mit allen seinen Künsten, Gaben und Werken von ihm verworfen ist. Diese wichtige Pflicht, vermöge deren uns obliegt, auf Gott zu harren, muß demnach bei des Menschen Selbstverleugnung, beides innerlich und äusserlich, in einer stillen Gelassenheit und bloßen Zuversicht auf den Herrn, und in einer Bereinigung von sich selbst, oder Abziehung von allen den Wirkung, Einbildungen und spekulativen Betrachtungen seines Gemüts, notwendig praktiziert und ausgeübt werden: Auf daß er, wenn er gleichsam von sich selbst entledigt oder ausgeleert, und deshalb den natürlichen Ausflüssen desselben völlig gekreuzigt ist, geschickt sein möge, den Herrn zu empfahen, der keinen Mitwerber oder Nacheiferer seiner Ehre und macht haben will. Wenn sich der Mensch in solchem Stande befindet, so bekommt das Saamenkörnlein der Gerechtigkeit, welches Gott in seine Seele gepflanzt, und Christus ihm erkauft hat, nämlich das Maas der Gnade und des Lebens, (welches durch des Menschen natürliche Gedanken und Einbildungen belästigt und gekreuzigt wird) Platz und Raum, hervor zu sprossen, und wird eine heilige Geburt und Erzeugung im Menschen. Dieses ist diejenige göttliche Luft, (oder derjenige göttliche Hauch und Odem,) in welchem und durch welche des Menschen Seele und Geist gleichsam angesäuert (oder erweckt und belebt) wird. Und wenn er darinnen beharrt, so wird er in den Augen Gottes angenehm, in seiner Gegenwart zu stehen, seine Stimme zu hören, und die Bewegungen seines Geistes anzumerken. Und also ist des Menschen Schuldigkeit, hierinnen zu verharren und zu warten, und nachdem hierdurch seinem Gemüt einige Gegenstände von Göttlichen oder geistlichen Dingen vorgestellt werden, so mag seine Seele ohne Nachteil, und zum größten Nutzen beides seiner selbst und anderer sich hierinnen geübt sehen; weil solche Dinge ihren Ursprung nicht aus seinem eigenen Willen, sondern von dem Geist Gottes haben. Und derothalben, gleichwie bei Entspringung und Bewegung dieses Geistes sein Gemüt beständig im Nachdenken und heiliger Betrachtung geübt wird; deshalb geschieht solches auch in den bekannteren Werken des Predigens und Betens. Und deshalb kann man hieraus sehen, daß wir der Meditation und Betrachtung geistlicher Dinge (wie einige fälschlich aus unserer Lehre zu schließen gesucht) keineswegs zuwider; sondern wir sind nur wider die Gedanken und Einbildungen des natürlichen Menschen in seinem eigenen Willen, aus welchen alle Irrtümer und Ketzereisen in der Christlichen Religion in der ganzen Welt entsprungen sind. Wenn es aber Gott zu einiger Zeit gefällt, da einer oder mehrere auf ihn harren, ihnen keine solche Gegenstände vorzustellen, die ihnen Gelegenheit geben, ihre Gemüther in Sachdenken und beschaulichen Betrachtungen zu üben, sondern sie lauterlich in dieser heiligen Gelassenheit und Zuversicht zu erhalten; und wenn sie darinnen verharren, seine geheime Erquickung und den reinen Anbruch dieses heiligen Lebens über sie ausfliessen läset; alsdenn haben sie gute Ursache vergnügt ju sein. Weil hierdurch (wie wir aus gewisser und gesegneter Erfahrung wissen) die Seele je mehr und mehr in der Liebe Gottes gestärkt, erneuert und bekräftigt, und wider die Gewalt der Sünden, weit nachdrücklicher als auf einige andere Weise, gewaffnet wird. Immassen dieses ein Vorschmack desjenigen wirklichen und empfindlichen Genusses der Gottheit ist, welche die Heiligen im Himmel täglich besitzen, und welche Gott seinen Kindern hier zu ihrem Trost und zu ihrer Aufmunterung öfters verschafft, in besonderem wenn sie mit einander versammelt sind, auf ihn zu harren.


  1. Psalm 27,14 “Harre auf den HERRN! Sei stark, und dein Herz erweise sich als mutig, und harre auf den HERRN! “ ↩︎

  2. Psalm 37,7 “Schweige vor dem HERRN und harre auf ihn! Entrüste dich nicht über den, dessen Weg gelingt, über den Mann, der böse Pläne ausführt!” ↩︎

  3. Psalm 37,34 “Harre auf den HERRN und halte seinen Weg ein, und er wird dich erhöhen, das Land zu besitzen. Wenn die Gottlosen ausgerottet werden, wirst du zusehen.” ↩︎

  4. Sprüche 20,22 “Sage nicht: Ich will Böses vergelten! Harre auf den HERRN, so wird er dich retten” ↩︎

  5. Jesaja 30,18 “Und darum wird der HERR darauf warten, euch gnädig zu sein, und darum wird er sich erheben, sich über euch zu erbarmen. Denn ein Gott des Rechts ist der HERR. Glücklich alle, die auf ihn harren!” ↩︎

  6. Hosea 12,6 ” Er kämpfte mit dem Engel und war überlegen! Er weinte und flehte ihn um Gnade an. In Bethel fand er ihn, und dort redete er mit ihm.” ↩︎

  7. “Höre doch, Joschua, du, der Hohe Priester, du und deine Gefährten, die vor dir sitzen – denn Männer des Wunders sind sie! Ja, siehe, ich will meinen Knecht, Spross ⟨genannt⟩, kommen lassen.” ↩︎

  8. Matthäus 24,42 “Wacht also! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.” ↩︎

  9. Matthäus 25,13 " So wacht nun! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde. “ ↩︎

  10. Matthäus 26,41 “Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt! Der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach.” ↩︎

  11. Markus 13,35 “so wacht nun! Denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob des Abends oder um Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder frühmorgens,” ↩︎

  12. Markus 13,37 “Was ich aber euch sage, sage ich allen: Wacht! “ ↩︎

  13. Lukas 21,36 “Wacht nun und betet zu aller Zeit, dass ihr imstande seid, diesem allem, was geschehen soll, zu entfliehen und vor dem Sohn des Menschen zu stehen! “ ↩︎

  14. Apostelgeschichte 1,4 “Und als er mit ihnen versammelt war, befahl er ihnen, sich nicht von Jerusalem zu entfernen, sondern auf die Verheißung des Vaters zu warten – die ihr⟨, sagte er,⟩ von mir gehört habt;” ↩︎

  15. Apostelgeschichte 20,31 “Darum wacht und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, einen jeden unter Tränen zu ermahnen!” ↩︎

  16. 1.Korinther 16,13 “Wachet, steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark!” ↩︎

  17. Kolosser 4,2 “Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung!” ↩︎

  18. 1.Thessalonicher 5,6 “Also lasst uns nun nicht schlafen wie die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein!” ↩︎

  19. 2.Timotheus 4,5 “Du aber sei nüchtern in allem, ertrage Leid, tu das Werk eines Evangelisten, vollbringe deinen Dienst! “ ↩︎

  20. 1.Petrus 4,7 “Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet!” ↩︎

  21. Psalm 25,3 “Auch werden alle, die auf dich harren, nicht beschämt werden; es werden beschämt werden, die treulos handeln ohne Ursache.” ↩︎

  22. Psalm 37,9 “Denn die Übeltäter werden ausgerottet; aber die auf den HERRN hoffen, die werden das Land besitzen.” ↩︎

  23. Psalm 69,6 ” Du, Gott, hast meine Torheit erkannt, und meine Verschuldungen sind dir nicht verborgen.” ↩︎

  24. Jesaja 40,31 ” Aber die auf den HERRN hoffen, gewinnen neue Kraft; sie heben die Schwingen empor wie die Adler, sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden nicht. “ ↩︎

  25. Klagelieder 3,25+26 “Gut ist der HERR zu denen, die auf ihn harren, zu der Seele, die nach ihm fragt. Es ist gut, dass man schweigend hofft auf die Rettung des HERRN.” ↩︎

  26. Wenn hier jemand einwendet, daß des Herrn Gebet oder Vater unser eine vorgeschriebene Formel des Gebets, und folglich der Anbetung sei, so von Christo seinen Kindern gegeben worden; So antiworte ich, erstens, dieses kann, meines Wissens, von seinem Christen vorgewandt werden, weil mir seine bekannt sind, welche seine andern Gebet gebrauchten, oder ihre Anbetung nur zu diesem allein einschrenkten. Zweitens, wurde dieses den Jüngern befohlen, als sie noch schwach waren, ehe sie die Einrichtung des Evangelium empfangen hatten. Nicht, daß sie es allein zu ihrem Gebet gebrauchen sollten, sondern daß er ihnen durch ein Beispiel zeigen möchte, welcher Gestalt ihre Gebete kurz, und den langen Gebeten der Pharisäer nicht gleich sein sollten. Und, daß dieses der Gebrauch desselben gemessen, erhellt aus allen ihren Gebeten, deren sich hernach unterschiedene Heiligen bedient, davon die Schrift Meldung tut. Denn niemand bediente sich dieses, oder wiederholte es; sondern gebrauchte andere Worte, nachdem es die Sache erforderte, erforderte, und nachdem der Geist gab auszusprechen. Drittens, das dieses so verstanden werden muß, ist aus Rom. 8,26. zu sehen, wovon hernach weitläufiger Meldung geschehen soll; wo der Apostel spricht: Wir wissen nicht, was wir bitten sollen, rondern der Geist vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen etc. are aber dieses eine solche vorgeschriebene Gebetsformel gewesen, so der Kirche gegeben worden, so waren des Apostels Worte der Wahrheit nicht gemäß gewesen; so hatte ihnen auch nicht unbekannt sein können, was sie beten sollten, wurden auch der Hilfe des Gebetes nicht nötig gehabt haben, sie zu lehren. ↩︎