11.7 - Die innere Haltung ist das Wichtigste
Bearbeitungsstand
Gleichwie dem natürlichen Willen und der Weisheit des Menschen nichts so sehr entgegen sein kan, als dieses stille Harren auf Gott; deshalb kann es auch von dem Menschen weder erhalten, noch recht begriffen werden, als in so ferne er seine eigene Weisheit und seinen Eigenwillen niederlegt, und zufrieden ist, Gott völlig unterworfen zu sein. Und deshalb kann es von niemand gepredigt, erlangt oder geleistet werden, als von solchen, welche keine äußerliche Zeremonie, keine Beobachtung, und keine Worte, ja, nicht die besten und reinsten Worte, auch nicht einmal die Worte der Schrift, ihre mühseligen und beladenen Seelen zufrieden zu stellen, vermögend sind. Massen alles dieses da sein, und dennoch das Leben, die Kraft und Tugend, die solche Dinge mächtig oder wirkend machen, mangeln kan. Solche, sage ich, haben sich notwendig von allem Äusserlichen abziehen, und in der Stille vor dem Herrn erscheinen müssen; und indem sie auf dasjenige innerliche Principium des Lebens und Lichts in ihnen selbst, als1 den allervortrefflichsten Lehrer, der nicht wegfliehen, und niemals in einen Winkel verborgen werden kan, gerichtet gewesen, so sind sie dadurch so weit gekommen, daß sie gelernt haben, in dem von Gott empfangenen Maß des Lebens und der Gnade auf ihn zu harren, und von ihren eigenen, vorwitzigen und unbesonnenen Worten und Werken, in dem natürlichen Willen und Begriff, abzulassen, und diesen innerlichen Samen des Lebens zu fühlen und zu empfinden. Und nachden sich solcher bewegt, darnach mögen auch sie sich mit bewegen, und durch dessen Macht und Einfluss befiehlt und entweder zum Gebet oder zum Predigen oder Singen angetrieben werden. Und aus diesem Grund-Sag des Stillesein und Harrens, da der Mensch in göttlichen Dingen nichts von sich selbst wirkt und vornimmt, bis er durch das Licht und die Gnade Gottes im Herzen deshalb dazu bewegt wird, ist nun diese Art und Gewohnheit, daß man stille beisammen sitzt und auf den Herrn wartet, natürlicher Weise entsprungen. Denn wenn ihrer viele, die deshalb gelehrt und gesinnt waren, in der Furcht des Herrn zusammen kamen, so fingen sie nicht gleich an zu reden, zu beten oder zu singen etc. aus Sorge, sie möchten erfunden werden, als solche, die sich fürwitziger Weise in ihrem eigenem Willen bewegten und übereilten, sondern ein jeglicher ließ sich angelegen sein, in sich selbst einzukehren, und zu dem Maß er Gnade zu wenden, da man sich nicht nur aller Worte enthält, sondern auch von aller eigenen Gedanken, Einbildungen und Begierden frei macht, und deshalb in einer heiligen Gelassenheit und Zuversicht auf den Herrn warte, und nicht nur äußerlich an einem Ort, sondern auch innerlich in einem Geist und in dem Namen Jesu, welches seine Macht und Kraft ist, zusammen kommt. Diejenigen, die dergestalt zusammen kommen, lernen die Regungen dieses Lebens, so in ihnen entspringt, empfinden und geniessen, und nachdem dasselbe bei einem jeden besonders zunimmt und herrscht, wird es gleichsam zu einer erfrischenden Flut, die sich über die ganze Versammlung ausbreitet und ergiesst. Denn da des Menschen Witz und Weisheit in eines jeden Gemüt verleugnet und untergedruckt, und Gott hingegen erhoben, und seiner Gnade im Herzen die Herrschaft gegeben wird; so wird dadurch sein Name in allen einer, und seine Herrlichkeit bricht hervor und bedeckt alles. Da denn jede Seele eine solche heilige Furcht und Ehrerbietung überfällt, daß, wenn der natürliche Geist, oder die eigene Weisheit bei einem, oder was mit dem Leben nicht eins (oder vereinigt) ist, sich hervor tun wollte, solches alsbald gefesselt, unterdruckt und verdammt werden würde. Und wenn jemand durch diese hervorbrechende Macht gedrungen wird, etwas zur Ermahnung oder zum Lob hervor zu bringen, oder im Gebet zum Herrn zu seufzen, so werden dessen die andern alle durch eine innerliche Empfindunginnen; denn dasselbe Leben in ihnen kommt damit überein, wie der Schein im Wasser mit dem Angesicht2. Dieses ist derjenige heilige und geistliche Gottesdienst, den die Welt weder kennt noch versteht, und kein unreines Geiers Auge einsehen kan. Und dennoch sind die Vorteile sehr groß und mancherlei, deren meine Seele, nebst vielen andern, dadurch teilhaftig worden, und welche alle diejenigen spüren und empfinden würden, die sich mit Ernst dazu bequemen wollen. Denn wenn Leute deshalb versammelt sind, nicht nur bloße Menschen zu hören noch sich auf sie zu verlassen; sondern wo alle innerlich gelehrt werden,3 sich auf den Herren zu verlassen4, und auf seine Erscheinung in ihren Herzen zu warten, da wird die fürwitzige Wirkung des menschlichen Geistes gehemmt, und dadurch abgehalten, sich unter den reinen Dienst Gottes zu mischen. Die Gestalt dieser Verehrung ist so nackend und von allem äußerlichen und weltlichen Glanz entblösst, daß alle Gelegenheit genommen wird, wodurch die menschliche Weisheit sich darinnen üben, oder der Aberglaube und die Abgötterei einigen Raum und Platz haben könnte. Da deshalb auch eine innerliche Ruhe und Einkehrung des Gemüts in sich selbst ist, so steht der Zeuge Gottes in dem Herzen auf, und das Licht Christi erscheint, wodurch die Seele ihren wahren Zustand erkennen lernt. Da nun viele in diesem einem Werk mit einander vereinigt sind, so entsteht eine innerliche Arbeit und Ringen; und nachdem man in dem Maß der Gnaden bleibt, auch eine Überwindung der Macht und des Geistes der Finsternis. Solcher Gestalt werden wir in dem Geist unseres Gemütes öfters ohne ein Wort sehr gestärkt und erneuert; und wir geniessen und besitzen die heilige Mitteilung und Gemeinschaft des Leibes und Blutes 5 Christi, durch welche unser innerlicher Mensch ernährt und gespeist wird. Welches macht, daß wir nicht auf das äusserliche Wasser, noch auf das äusserliche Brot und Wein, bei unserer geistlichen Genuss sehen. Soviel nun solcher Gestalt mit einander versammelt sind, die wachsen in der Stärke, Kraft und Tugend der Wahrheit auf; und wenn die Wahrheit dergestalt den Sieg und die Herrschaft in ihren Seelen erlangt, alsdenn überkommen sie Vermögen, vieles zu Erbauung der Brüder auszusprechen, und standhaft zu reden, und das reine Leben hat einen freien Durchgang bei ihnen: Und was deshalb gesprochen wird, erbaut den Leib wirklich und in der Tat. So groß ist die klare Gewissheit dieser göttlichen Kraft, die durch dergleichen Zusammenkünfte, und durch dieses stille harren auf Gott mitgeteilt wird, daß bisweilen einer hinein gekommen, der unwachsam gewesen, und mit seinem Gemüt herum gewandert, oder der jähling von der Eilfertigkeit der äußerlichen Geschäfte dahin gekommen, und deshalb nicht innerlich mit den übrigen gesammelt gewesen; da denn diese Kraft, die bei der ganzen Versammlung in guter Masse erweckt worden, so bald als er in sich selbst einkehrt, seinen Geist plötzlich ergreifen, und wunderbar behilflich, sein wird, das Gute in ihm zu erwecken, und ihn zur Zerschmelzen und Erwärmung seines Herzens, in die Empfindung eben derselben Kraft zu erzeugen. Eben als wie die Warme einen Menschen zu ergreifen pflegt, der erfroren ist, und in eine warme Stube hinein kommt. Oder als wie eine Flamme ein wenig brennbare Materie, wenn sie ihr zu nahe kommt, ergreifen und entzünden würde. Ja wenn es sich zutragt, daß unterschiedene zusammen kommen, die in ihren Gemütern zerstreut sind, ob sie sich schon äußerlich stille halten, aber von dem Maß der Gnaden in ihnen selbst ausschweifen, (welches sich durch die Wirkung des Feindes und Nachlässigkeit des Menschen ereignen kan,) und da entweder einer hinein kommt, oder vielleicht schon drinnen ist, der sich wachsam bezeigt, und in welchem das Leben in grosser Masse erweckt ist, so wird dieser eine, wenn er seinen Platz behält, eine heimliche Bearbeitung um die übrigen, vermöge einer heimlichen Sympathie oder Mitleidens mit dem Samen, fühlen, welcher in den andern unterdrückt, und durch ihre aufsteigende und herum schweifende Gedanken abgehalten wird. Und nachdem ein solcher getreuer Knecht Gottes in dem Licht harrt, und dieses göttliche Werk fortsetzt, so erhört Gott öfters das geheime Bearbeiten und Seufzen seines eigenen Samens durch denselben. So, daß die übrigen sich, ohne Worte, heimlich gerührt finden; und dieser eine, Wehmutter oder Hebamme sein wird, das Leben in jenem hervor zu bringen. Gleichwie etwa ein klein wenig Wasser, das man in eine Pumpe giesst, das übrige rege macht, daß es aufsteigt. Wodurch das Leben in allen wird erweckt, und die eitlen Einbildungen niedergedruckt werden. Und die übrigen fühlen, daß ihnen durch den Geist in einem solchen das Leben ohne Worte mitgeteilt werde. Ja, wenn bisweilen in der ganzen Versammlung nicht ein Wort geredet wird, sondern alle in der Stille harren, und es kommt einer hinein, der roh und gottlos ist, und in welchem die Macht der Finsternis sehr herrscht, und zwar mit einem Vorsatz zu spotten, oder Unfug anzustiften, da die ganze Versammlung in das Leben versammelt, und solches in einer guten Masse erweckt ist, so wird es einen solchen mit Schrecken rühren, und er sich unvermögend finden, zu wiederstehen; derstehen; sondern es wird, durch die geheime Stärke und Kraft desselben, die Macht der Finsternis in ihm gebunden werden. Und wenn der Tag seiner Heimsuchung noch nicht vorüber ist, so wird es das Maß der Gnaden in ihm erreichen, und solches zur Erlösung seiner Seele anblasen. Dabei wir öfters Zeugen abgegeben haben. So, daß wir dadurch vielfältige Gelegenheit bekommen, seit dem uns Gott zu einem Volk versammelt hat, das alte Sprichwort zu erneuern, ist Saul auch unter den Propheten?6 Denn es sind ihrer nicht wenige der Wahrheit auf diese Weise überzeugt worden; davon ich selbst zum Teil ein besonderer und wahrhafter Zeuge bin, der ich nicht durch die Stärke der Bereise oder durch genaue Untersuchung jeder Lehre, so daß mein Verstand dadurch wäre überzeugt worden, die Wahrheit annahm und ihr Zeugnis gab, weil ich durch dieses Leben in geheim erreicht und gerührt wurde. Denn da ich in die stille Versammlung des Volkes Gottes kam, so fühlte ich eine heimliche Kraft unter ihnen, die mir das Herz berührte. Und da ich derselben Raum gab, so spürte ich, daß das Böse in mir schwacher, und das Gute hingegen erweckt wurde, und zunahm; und deshalb wurde ich mit ihnen verknüpft und verbunden, weil mein Hunger nach dem Wachstum dieser Kraft und dieses Lebens immer mehr und mehr zu nahm, wodurch ich mich selbst vollkommen erlöst fühlen möchte. Und gewisslich dieses ist der sicherste Weg ein Christ zu werden, dem es hernach an Erkenntnis und Verständnis der Grundsätze nicht mangeln wird, sondern dieselbe wird, so viel ihm nötig ist, als die natürliche Frucht aus dieser guten Wurzel aufwachsen. Und eine solche Erkenntnis wird nicht leer und fruchtlos abgehen. Daher wünschen wir, daß auf diese Weise alle, die unter uns kommen, zu Neubekehrten gemacht werden mögen. Weil wir gar wohl wissen, daß, wenn gleich tausende in ihrem Verstand wegen aller Wahrheiten, die wir behaupten, überzeugt werden sollten, sie dennoch uns nichts beifügen könnten, wenn sie dieses innerlichen Lebens nicht empfindlich gemacht, und ihre Seelen nicht von der Ungerechtigkeit zur Gerechtigkeit bekehrt, und deshalb ganz verändert wären. Denn dieses ist derjenige Teig oder dasjenige Band, durch, welches wir, gleichwie mit dem Herren, deshalb auch unter einander selbst, vereinigt werden, und ihm und einander selbst anhängen; und ohne diesem kann niemand mit uns anbeten, ja wenn solche unter uns kommen, und dein Verstand und der Überzeugung nach, so sie von der Wahrheit haben, noch so wahre Dinge reden, und solche mit noch so viel Vortreflichkeit der Rede aussprechen sollten, so würde es uns doch ganz und gar nicht erbauen, wenn dieses Leben mangelte, sondern es würde nur sein, wie ein tönendes Erz, und wie eine klingende Schelle.7
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Jesaja 30:20 ‘Und hat der Herr euch auch Brot der Not und Wasser der Bedrängnis gegeben, so wird dein Lehrer sich nicht mehr verbergen, sondern deine Augen werden deinen Lehrer sehen.’ ↩︎
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Sprüche 27:19 ‘Wie sich im Wasser das Angesicht spiegelt, so ein Mensch im Herzen des andern.’ ↩︎
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Jesaja 10:20 ‘Zu der Zeit werden die Übriggebliebenen von Israel und was entkommen ist vom Hause Jakob sich nicht mehr verlassen auf den, der sie schlägt, sondern sie werden sich verlassen auf den HERRN, den Heiligen Israels, in Treue.’ ↩︎
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Jesaja 26:3 “Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden; denn er verlässt sich auf dich.” ↩︎
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Epheser 4,23 ‘dagegen erneuert werdet in dem Geist eurer Gesinnung’ ↩︎
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1.Samuel 10,12 ‘Und einer von dort antwortete und sagte: Wer ist denn ihr Vater? Daher ist es zum Sprichwort geworden: Ist Saul auch unter den Propheten?’ ↩︎
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1.Korinther 13,1 ‘Wenn ich in den Sprachen der Menschen und der Engel rede, aber keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel.’ ↩︎