11.3 - Über die Notwendigkeit von Gottesdiensten
Bearbeitungsstand
Zweitens, ob ich schon sage, daß dieser Gottesdienst weder zu gewissen Zeiten, Orten oder Personen eingeschränkt sei; so wolle man mich doch nicht deshalb verstehen, als ob ich alle gesetzten Zeiten und gewissen Orten des Gottesdiensts verwerfen wollte. Das sei ferne, daß ich an eine solche Meinung gedenkt sollte. Nein, wir sind gar nicht von denjenigen, die die Versammlung verlassen; (oder die da unterlassen, sich mit einander zu versammeln,) sondern wir haben auch gewisse Zeiten und Ort, zu welchen und an welchen wir fleißig zusammen kommen, auf Gott zu harren, und ihn zu verehren und anzubeten, (und hierüber halten wir so fest, daß wir weder durch die Drohungen noch Verfolgungen der Menschen davon können abgetrieben werden.) Denn wir achten es für nötig, daß das Volk Gottes tes zusammen komme. Dieweil, so lange wir mit dieser äußerlichen Hütte bekleidet sind, es nötig ist, eine vereinigte und sichtbare Gemeinschaft zu unterhalten, und ein äußerliches Zeugnis für Gott abzulegen, und einander dem Angesicht nach zu sehen, daß wir so wohl dem Leibe als Geist und Gemüt nach zusammen kommen, und vereinigt sind. Denn wenn solche innerliche Liebe und Einigkeit des Geistes dabei zugegen ist, gereicht solches nicht wenig zu Aufmunterung und Erfrischung der Heiligen.
Sondern wir verwerfen nur diejenige gewisse Bestimmung der Zeit und des Orts, daß, da der Geist Gottes der unmittelbare Urheber, Beweger, Überzeuger und Erleuchter des Menschen in den besonderen Handlungen des Gottesdienst, wenn die Heiligen zusammen kommen, sein sollte, dieser Geist mit seinen Wirkung beschränkt, und ihm Ziel und Maß gesetzt wird, wenn man einen besonderen Menschen, oder mehrere aufstellt, nach menschlichem Willen zu predigen oder zu beten. Davon alle die übrigen ausgeschlossen sind, daß sie nicht einmal glauben dürfen, sie wären verbunden, auf den Geist Gottes zu harren, damit er sie bei dergleichen Dingen bewege. Und deshalb setzen sie dasjenige bei Seite, welches sie in ihnen selbst lebendig machen sollte; und da sie nicht harren, bis sie die reinen Eingebungen des Geistes Gottes füllen, um solchen zu folgen, verlassen sie sich nur bloß auf den Prediger, und hören, was er ihnen sagen werde.
Zweitens, missbilligen wir eben dieses, daß diese besonderen Leute, die Prediger, nicht dahin kommen, den Herrn zu finden, und auf die innerlichen Bewegungen und Wirkung seines Geistes zu warten, und deshalb zu beten, wie sie den Geist durch sich und in sich hauchen fühlen; und zu predigen, nachdem sie von dem Geist Gottes getrieben und bewegt werden, und nachdem er ihnen Vermögen auszusprechen gebietet. Also, daß sie ein Wort zu rechter Zeit, und wie es der Zustand und die Beschaffenheit der Zuhörer und ihrer Herzen erfordert, reden mögen, die müden Seelen zu erquicken und zuzulassen, daß Gott durch seinen Geist so wohl die Herzen des Volks zubereite, als auch dem Prediger Gnade gebe, dasjenige zu reden, was der Zeit und den Umständen nach, gut und nützlich, heilsam und ersprießlich vor dasselbe ist. Sondern ein solcher hat auf seiner Studierstube etwas nach seinem eigenen Willen, durch seine menschliche Weisheit und Gelehrsamkeit, zusammen geschmiedet, indem er die Worte der Wahrheit dem Buchstaben der Schrift abgestohlen, und aus anderer Leute Schriften und Anmerkungen so viel heraus geklaubt und an einander geflickt, als erklecklich sein will, ihn eine Stunde lang, bis der Zeiger (oder die Sanduhr) aus ist, reden zu lassen: Und, ohne den innerlichen Einfluss des Geistes Gottes zu erwarten, oder zu empfinden, schwätzt er auf ein Geradewohl solches nach einander daher, es mag sich auf des Volks Zustand schicken oder nicht, und wenn er seine auswendig gelernte Predigt abgelegt, oder geendet hat, sagt er das Gebet auch aus seinem eigenen Willen her, und hiermit hat das heilige Werk ein Ende. Gleichwie aber dergleichen aus bloßer Gewohnheit verrichtete Gottesdienst Gott unmöglich gefallen kan; deshalb bezeugt es der gegenwärtige Zustand der Völker sattsam, wie vergeblich er sein, und wie fruchtlos er sei allen, die sich darinnen befinden, abgehe. Es erhellt demnach, daß wir denen zum Gottesdienst festgesetzte Zeiten keineswegs zuwider sind, wie der besagte Nic. Arnold wider diesen Satz, Sect.45. eben so ungereimt einstreut. Da er unnötiger Weise zu behaupten sucht was doch nicht geleugnet wird. Allein da diese Zeiten nur der äußerlichen Gemächlichkeit halber verordnet sind, so dürfen wir deswegen nicht mit den Katholiken gedenken, daß diese Tage heilig sind, und das Volk zu einer abergläubischen Beobachtung derselben verleiten; indem wir überzeugt sind, daß in den Augen Gottes ein Tag so heilig ist als der andere. Und ob es schon mein gegenwärtiges Vorhaben nicht ist, mich in eine weitläufige Ausschweifung wegen der unter den Protestanten ob schwebenden Streitigkeiten über den ersten Tag der Wochen, insgemein der Sonntag, oder Tag des Herren genannt, einzulassen; so will ich doch nur so viel, als sich dieses Orts füglich tun lässt, davon erwähnen, und unsere Meinung kürzlich darüber anzeigen.