Apologie von Robert Barclay in der Übersetzung von 1776

8.9

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Rohdaten: Text wurde noch nicht gesichtet und korreliert.

Ich will mit ihrem vornehmsten und wich: Einwurf 1. tigsten Einwurf den Anfang machen. Es be steht ders seibe in den Worten des Apostels 1 Joh. 1,8. So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Dieses halten sie für einen unumsióßlichen Beweis.

Allein, ist es nicht etwas Seltsaines, die Menschen Untwort 1. von der Partheylichkeit dergejialt verblendet zu sehen? Wie viele Schrift:Stellen, die noch zehenmal deut: licher sind, verwerfen sie, und halten doch so hartnäckigt über diesen Sprud), der doch so mancherley Antwort zulässt? Als erstens, (wenn wir sagen, wir haben So wir fas

keine gen, wir

haben tei: Keine Sünde etc.) bringt keineswegs mit sich, daß wird ein der Apostel selbst eingeschlossen sei. Die Schrift bes gewendet. dient sich bisweilen dieser Redensart, wenn die res

dende Person nicht mit eingeschlossen werden kan, welche Art zu reden die Grammatici Metalchemas tismum nennen. Also spricht Jacobus, wenn er von der Junge redet, Jac. 3. 9. 10. durch sie loben wir Gott, und durch sie Fluchen wir den Mens fchen, und feßet hinzu, es soll nicht deshalb sein. Wer

wil hieraus (dliesen, daß der Apostel einer von den Antwort 2. Fluchern gewesen sei? Jweytens, tut dieser Ein

wurf nichts zur Sache. Er spricht nicht, wir fún: digen täglich in Gedanken, Worten und Wers ken; und noch vielwcniger, daß selbst die guten Werke, welche 60tt durch seinen Geist in uns wirkt, Sünde sind. Ja der allernáchste Vers zeigt klárlich, daß wir auf Bekenntniß und Busse nicht nur Vergebung, sondern auch Reinigung ers halten. Er ist getreu und gerecht, daß er uns die Sünde vergebiet, und reinigt uns von aller lins gerechtigkoit. Hier ist beides eine Vergebung und Abwendung der Schuld, und eine Reinigung oder Abs wendung der Unreinigkeit. Denn, so man die Vers gebung und Reinigung deshalb annehmen wolte, als ob sie bende zu Abwendung der Schuld gehörten, so würde es ein gewaltiger Zwang der Worte, und eis ne unndtlige Taurologie oder Wiederholung der Wors te sein, worzu sich in dem ert gar keine Urfache fins det. Nachdem der Apostel gezeigt hat, welcher Ges stalt nicht nur die Sduld, sondern auch die Unreis nigkeit der Sünden abgetan sev, so fülyret er in dem 10. Vers mit seinen eigenen Worten in præterito

oder in den vergangenen Zeiten fort: Sowir sagen, Antwort 3. wir haben keine Sünde, so madyen wir ihn zuni

Lúgner. Drittens, gleichwie Augustinus in seiner Auslegung über die Epistel an die Galater wohl an:

merket:

merket: Ein anders ist nicht sündigen, ein anders Ein anders Keine Sünde haben. Des Apojiels Worte heissen einde bes nicht, wenn wir sagen, wir sündigen nicht, oder geben, ein begeben täglich keine Sünde; sondern es heißt; qubers it, So wir sagen, wir haben keine Sünde. Und de haben. zwisden diesen zweien ist ein offenbarer Unterscheid. Denn in Ansehung dessen, daf alle gesündigt haben, wie wir freiwillig zugestehen; deshalb kann man in gewiss seni Versande auch von allen sagen, daß sie Sünde haben. Ferner mag die Sünde vor den Samen der Sünde genommen werden, der sich auch noch in denen finden

 kan, die vom wirklichen Sündigen erlos

set sind. Was aber die Versuchungen und Reißun- gen, die daher entstehen, anbelangt, wenn ihnen von den Knechten Gottes widerstanden, und nicht darein gewilliget wird, so sind sie des Teufels Sünde, der da versucht, und nicht des Menschen, der dafür bes wahret wird. Vierdeens, wenn nun dieses alles wohl Antwort 4: erwogen wird, und wie nachdrücklich und deutlich der Apostel in eben diesem Brief, so wohl inden oben ans geführten Stellen, als auch andern Ortn, seine Merys nung einmal iber das andere einschärfet; ist es billig oder vernünftig, diesem einzigen Ort solchen Zwang anzutun, nachdem er gleich vorher in der verganges nen Zeit dergestalt erkläret, und erörtert worden, das mit man nicht nur seinen andern ausdrücklichen Redens- Arten, sondern dem ganzen Absehen seines Briefes, und der übrigen heiligen Gebote der Schrift widerstehen möge?

Zweitens,dieser andere Einwurf ist aus zwei Stel- Einwurf 2. len der Schrift hergenommen, die fast einerlei Bedeuz tung haben. Die erste ist in dem i B. der Kön. 8, 46. Denn es ist kein Mensch, der nicht fündige. Únd der andere steht, Pred. Sal.7, 20. Denn es ist kein Mensch auf Erden, der Gutes thue und nicht fündige.

nungen

gezogeni werden.

Antwort.

Ich antworte, erstens: Diese Stellen beweisen nichts von einem táglichen und unaufhörlichen Süns digen, deshalb daß man niemals davon erlöst werde; sondern nur, daß alle gesündigt haben; oder daß keis ner seiy, der nicht fündige, ob schon nicht allezeit, deshalb, daß er niemals aufhörte zu sündigen; und hierinnen bejichet die Frage. Ja in demselben Kapitel des Buchs der Könige, redet er etliche Verse hernach von einer Bekebrung von ganzem Herzen und von

ganizer Seelen; welches eine Möglichkeit anzeigt, Der un- daß man von Sünden ablassen könne. Zweitens muß terschew der Zeiten

man die Zeiten und Ordnungen in Betrachtung ziehen. und Ord. Denn wenn man auch zugestehen sollte, daß zu des

Salomons Zeit keiner gerrefen, der nicht gesündigt, muß in He: trachtung so folgt deswegen nicht, daß auch jetzt icine solche

mären, oder es eine Sache sei, die man durch die Gnade Gottes unter dein Evangelio nicht erlangen könne. Denn a non esse ad non poffe non valet sequela. Und endlich beruhet dieser ganze Einwurf auf einer falschen Dolmetschung; denn das Hebräische Wort Jechera kann in dem modo potentiali gelesen wers den; nämlich deshalb: Es ist kein Mensch, der nicht sündigen mag, so wohl, als in dem Indicativo. Und deshalb haben es die zwei alten lateinischen Übersekuns gen des Junii und Tremellii und Varabli; und dasselbe Wort wird auch deshalb gebraucher im 119. Pfalm, im 11. Vers. Ich habe dein Wort in meinem Herzen verborgen, lemaan loæcheta lach das ist, daß ich mos ge nicht sündigen wider dich, in dem inodo potentiali, und nicht im Indicativo. Welches, weil es mit dem allgemeinen Endzweck der heiligen Schrift, dem Zeugnis der Wahrheit, und dem Sinn faji aller Auss leger überein kommt, Zweifels ohne allo verstanden werden, und die andere. Dolmetschung als falsch, und

untergeschoben verworfen werden soll. Einwurf 3. Drittens, wenden sie einige Redensarten des Apos

stels

ftels Pauli ein, Röm. 7, 19. Denn das Gute, das ich will, das thue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht wil das thue ich. Und im 24. Versicul: Ich elender Mensch, wer will mich ers lösen von dem Leibe dieses Todes?

Ich antworte, dieser Ort madhet nichts aus, es sei Antwort. denn, daß man beweisen könnte, daß der Apostel hier von seinem eigenen Zustande, und nicht vielmehr in der Person anderer, oder von dem, was er selbst einstens gewesen, rede; welches in der Schrift etwas gar Gemeines ist, als wie in dem Beispiel vom Schwós ren beim Jacobo, dessen wir vorher Meldung getan haben. Allein es findet sich nichts in dem Text, wels ches deutlich zu erkennen gäbe, daß der Apostel von sich selbst, oder von einem Zustand rede, worunter er sich damals befunden, oder in welchem er sich allezeit befinden müsste. Ja vielmehr erklärt er sich in dem vorigen Kapitel, (wie oben weitläuftig erzählt wors den, daß sie den Sünden abgestorben, indem er sie fraget, wie solche länger in Sünden leben fol

Zweitens, fichet man, daß der Apostel einen vor: Paulus stellt, der noch zu keinem geistlichen Zustand gelangt fellet eiist, indem er v. 14. sagt: Ich aber bin fleischlich Sünder unter die Sünde verkauft. Sit sich nun wohl ein: por, ihme zubilden, daß der Apostel Paulus, als er diesen

Brief zu zeigen. geschrieben, seinem eigenen Zustand nach, ein fleisch, licher Mensch gemresen? Da er doch im ersten Kapitel von sich felbit bezeugt, daß er berufen worden zu einem Apostel, und ausgesondert zu predigen das Evangelium Gottes; und war vermögend, den Komern geistliche Gaben mitzuteilen. Und im 8. Kapitel v.2. spricht er: Daß das Gesets des Geistes, der da lebendig macht in Christo JE su, ihn frei gemacbet babe von dem Gesetzs der Sünden und des Todes. So war er dann nicht

fleisch

ten,

fleischlich. Und da es dann gcistliche Menschen in dies fem Leben gebietet, mie unsere Widerfacher nicht in Abs rede sein werden, und durch dieses ganze Ste Kapitel an die Römer aufgezeigt wird; so ist kein Zweifel, daß der Apostel einer davon gewesen. Gleichwie dems nach dieses, daß er sich in dem 7. Kapitel felbit fleisits lich nennt, nicht von seinem eigenen Zustande kann verstanden werden; deshalb kann auch das übrige, wovon er daselbst redet, nicht auf solche Art zu verstehen sein. Ja, nach dem 24. Vers, wo er diese Ausrufung ges brauchet, reket er in den folgenden Vers hinzu: Ich danke Gott, durch Jesus Christus unsern Herrn; und gebietet damit zu erkennen, daß er durch ihn eine Erlösung bezeuge. Hicrauf fähret er fort, und zeigt in dem folgenden 8. Cap.v.35. wie er fols che erlangt habe: Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Und v. 37. Aber in dem allen úber: winden wir weit. Und in dem lekten Vers: Tichts mag uns scheiden etc. Wo aber einc Beharrung in Sünden ist, da istin einem gewissen Grad eine Scheis dung oder Absonderung. Dieweil eine jegliche Súns de Gott zuwider ist, und dvopetet, das ist, eine Übers

tretung des Gesetzes, 1 Jol;. 3, 4. Und wer die Wen die geringste Sünde begeht, der wird davon überwuns ser man den; und ist deshalb auf solche Weise kein Überwinder, Den hat der sondern ein Überwundener. Dieser Zustand, welchen

der Apojiel, nach seinem eigenen Zeugnis, nebst ans Überwin

dern erlangt batte, konnte demnach mit einer bestäng

digen Verharrung in Sünden unmöglich bestehen. Einrurf 4. Viertens, pflegen sie die Fehler und Sünden uns

terschiedener großer Heiligen, als des 77oab, Dar vids etc. fürzuschüben.

Ich antworte: Soldies beweist in diesem Fall gar nichts. Denn die Frage ist nicht, ob fromme Leute nicht in Sünde fallen können? Welches keineswegs geleugnet wird; sondern die Frage ist, ob es ihnen

ift kein

der.

Antwort.

werden?

nicht möglich sei, nicht zu sündigen? Es folgt gar nicht, weil diese Leute gesündigt haben, daß sie deße wegen niemals von Sünden befreit worden, sons dern allezeit gesündigt hátten. Denn wenn man auf Diese Weise schließen molte, so könnte man, nach dies sei Regel, auch darauf dringen, quod Contrariorum sit par ratio, oder daß die Ursache zweier wider einander lauffender Dinge einerlei sei. Es folgt Können nicht, weil ein frommer Mensch einmal oder zweis vo fündis mal gesündigt hat, so kann er nie von Sünden frei gen nie: sein, sondern muß täglich und unaufhörlich, sein Les Cünden belang, ein Sünder bleiben. Und wenn ein gottlos befrenet ser Mensch ein oder zweimal etwas Gutes getani, so folgt nicht, daß er niemals von der Gerechtigke frei werden könne, sondern seine ganze Lebens-Zeit ein gerechter Mann sein müsste. Welches nicht nur an sich selbst höchst ungereimt ist, sondern auch dem klaren Zeugnis der Schrift zuwider läuft, Ezech. 33, 12. bis 18.

Lestlich werfen sie ein: Wenn eine Volkoms Einwurfs menbeit oder Befreiung von Sünden zu erlans gen wäre; so würde solches die Ertódtung der Sünde unnúße, und das Blut Christi selbstvers geblich machen: So hatten wir auch nicht nötig, länger um Vergebung der Sünden zu bitten.

Ich antworte: Ich hätte diesen Einwurf, seiner of- Antwort. fenbaren Ungereimtheit halber, bei nalye gar aufsen ges lassen. Denn kann wohl die Ertódtung der Sünden unnuke sein, wenn der Endzweck derfelben erhalten ist? Angesehen diese Vollkommenheit nicht anders als durch Wer fire die Ertódtung ertanget wird. Machet die Hoffnung in Horts und Versicherung der Überrindung den Streit uns nung seis nötig? Es mögen verständige Leute urteilen, toets men petits ches am vernünftigsten heraus kommt; ob es dieses winden? fen, wenn man mit unsern Gegnern sagt: Es ift notwendig, daß wir streiten und ringen, wir uu 2

müssen

múffen aber nicht meinen, daß wir jemals übers winden werden, sondern wir müssen uns ents schließen, allezeit unter zu liegen: Oder, wenn man spricht, lasset uns streiten, weil wir überwinden mögen! Man urteile, welche das Blut Christi am kräftigsten machen. Ob es diejenigen sind, die da glauben, daß sie dadurch gereinigt merden können; oder diejenigen, die da glauben, sie können niemals das durch gereinigt werden? Wenn zwei Personen beis de gefälrlich krank waren, und verfügten sich zu einem Arzt, Hilfe bei ihm zu suchen; welche unter diesen beiden würde den Arzt und seine Sorgfalt am meisten rühmen? Der, so da glaubt, er kónne von ihm ges heilet werden, und wenn er fühlet, daß es mit ihm besser wird, bekennt, daß cs deshalb sei, und demnach sagen kan, dieses ist ein gesdichter und erfahrner Arzt, dieses ist ein gutes Hülfo-Mittel, fehet, ich bin gesund davon worden? Oder derjenige, dem niemals an fois ner Gesundheit geholfen wird, und der auch nicht glaus

bet, daß ihm dazu verholfen werden kan, so lang als Beten um er lebt? Was das Beten um Vergebung der Verge: bung der

Sünden anbelangt, so leugnen wir es keineswegs. Sünden. Denn da alle gesündigt haben, so haben auch alle

nötig zu beten, daß ihre vorigen Sünden ausgetils get, und sie vor dem täglichen Sündigen berrahret werden mögen. Und wenn dieses, daß man hoffen oder glaubt, von Sünden frei zu werden, verhins derte, um Vergebung der Sünden zu bitten; so würde nach eben diesem Schluß folgen, daß die Mens sdhen das Morden, das Ehebrecen, und andere ders gleichen grobe Laster nicht verlassen dürften. Angeses hen je fündhafter ein Mensch wäre, desto grössere Urfache würde er haben, um Vergebung der Sünden zu bitten, und desto mehr Arbeit der Ertódtung. Allein der Apostel hat solche spißfindige Schein-Gründe, wodurch man der Sünde Raum zu machen sucht,

Róm.

Róm.6,1.2. fattsam beantwortet, wenn er sagt: Sollen wir in der Sünde beharren, auf daß die Gnade desto mächtiger werde ? Das sei fernie.

Und legtens kann man diejenigen, so auf die Worte im Vater Unser dringen, vergieb uns unsere Schuld, mit ihren eigenen Waffen (dylagen, und ihs nen zeigen, daß dieses eben so sehr wider die volkom: mene Riechtfertigung, als wider die vollkommene Heis ligung streitet. Denn wenn die Heiligen, die gerings sten sowohl als die größten, alle zu eben der Stunde, darinnen sie bekelyret werden, voukommene Rechtfertigung erlangen, wie unsere Gegner haben wollen, so haben sie Vergebung der Sünden lange vorher ehe sie sterben. Mag man nicht alsdenn zu ihnen auch fas gen, was habt ihr denn nötig um Vergebung der Sünden zu bitten, da ihr bereits gerechtfertigt seid, und euch eure Sünden, so wohl die vergangenen als künftigen, schon vorlängst vergeben sind ?