Apologie von Robert Barclay in der Übersetzung von 1776

7.10

Allein, sie setzen entgegen, daß die Werke zur Rechtfertigung nicht nötig waren, und zwar erstens wegen der Worte Christi, Luc. 17,10. Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht, wir sind unnütze Knechte, etc.

Antwort: In Ansehung Gottes sind wir freilch, unnütze. Denn er bedarf nichts, und wir sind viel zu unvermögend, ihm etwas beizufügen. Allein was uns selbst anlangt, sind wir nicht unnütze. Sonst möchte man auch sagen, daß es dem Menschen nicht nützlich sei, Gottes Gebot zu halten. Welches höchst ungereimt ist, und der Lehre Christi durchgehends widersprechen würde. Spricht nicht Christus, Matth. 5. die Menschen wegen der daselbst angeführten Seligkeiten, als wegen ihrer Reinheit, wegen ihrer Sanftmuth, wegen ihrer Friedfertigkeit, etc. selig? Und ist denn nicht dasjenige, weswegen Christus die Menschen selig nennt, ihnen nützlich? Über dieses heisst nicht Christus Matth. 25,21.-23. diejenigen Menschen gute und getreue Knechte, die ihren Centner, ihr Talent oder Pfund wohl angelegt haben? War nun da ihnen nicht nüßlich, daß sie dieses getan hatten? Half sie dieses ihr Tun und Werk nichts? Und v. 30. wird von dem, der seinen Centner verborgen, und nicht angeleget batte, gesagt: Werfft den unützen Knecht in die äusserste Finsternis hinaus. So nun dieser, der den Centner nicht angeleget hatte, ein unnüger Knecht genennt, und deswegen in die äusserste Finsternis geworfen wird, so folgt, nach der Regel zweier einander entgegen gehaltenen widrigen Dinge, zum wenigiten so viel, daß die Anlegung ihrer Centner die andern nützlich gemacht habe. Denn wenn uns unsere Gegner einräuinen wollen, daß wir Christi Worten glauben dürfen, so wird dieses zur Ursuche oder zum wenigsten als eine werkzeugliche Ursache angeführt, daß sie ihrem Herrn angenehm gewesen. Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenig getreu gewesen, ich will dich über viel setzen, gebe ein zu deines Herren Freude.

Zum andern, wenden sie diejenigen Worte des Apostels ein, wo er die Werke des Gesetzes von der Rechtfertigung ausschließt. Als erstens Römer 3:20. Darum daß kein Fleisch durch des Gesetzeswerk für ihm gerecht sein mag. Und v. 28. So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde, ohne des Gesetzes Werk, durch den Glauben.

Antwort: Wir haben bereits gezeigt, wie viel wir denen Werken, ja auch den allerbesten Werken, bei der Rechtfertigung einräumen, und wie wir deren unmittelbare und formale oder eigentliche Ursadje dem, der solche in uns wurket,nicht aber den Werken selbst zuschreiben. Allein auf diesen Einwurf zu antworten, fage ich, daß ein grofjër linterscheid sei zwischen den Werken des Gesetzes und zwischen den Werken der Gnade, oder des Evangelium; die ersten sind ausgeschlossen, die andern aber nicht, sondern sie sind vielmehr notwendig. Die ersten sind diejenigen, so in des Menschien. eigenem Willen, und durch seine eigene Kräfte, in einer dem äufserlichen Geseß und Buchstaben erwiesenen Gleichförmigkeit vollzogen werden; und sind deshalb des Menschen eigene unvollkommene Werke, oder Werke des Gerekes, welches nicht vollkommen machen. Und hierzu gehören alle Zeremonien, Reinigungen, alles Waschen und alle fortgepflanzte Satzungen der Juden. Die andern sind die Werke des Geistes der Gnaden in dem Herzen, so in Gleichförmigkeit des innerlichen und geistlichen Gerekes gewirkt werden. Und diese Werke werden nicht in des Menschen Willen, noch auch durch seine Fraft und Fähigkeit, sondern in der Kraft und durch, die Kraft, in dem Geist und durch den Geist Christi in uns gewirkt, und sind daber rein und vollkommen in ihrer Art, (wie hiernach soll bewiesen werden) und können daher Christi Werke genennt werden, dieweil er der unınittelbare Urheber und Wirker derfelben ist. Solche Werke hatten wir unumgänglich nötig zur Rechtfertigung. So, daß ein Mensch ohne selbige nicht gerechtfertigt werden kan, und aller Glaube ohne denselben todt und unnütze sei, mie der Apostel Jacobus sagt. Daßaber ein solcher Unterscheid zugelassen, und diejenigen Werke, so von dem Apostel bei der Rechtfertigung ausgeschylossen werden, von der ersten Art sind, wird erhiellen, wenn wir die Gelegenheit ansehen, wodurch der Apostel deren so wohl hier, als durch die ganze Epistel an die Galater, wo er von dieser Materie weitläuftig handelt, Erwähnung zu tun bewogen worden; welche diese war: Nachdem viele von den Heiden, die nicht von dem Geldslecht oder Samen Ábrahams waren nach dem Fleisch, zum Christlichen Glauben bekehrt worden, und an ihn glaubten, so vermeinten einige von denjenigen, die von den Jüdischen Neubekehrten waren, die bekehrten und gläubigen Heiden den Zeremonien und Gebrauchen des Gesetzes zu unterwerfen, als ob solche zu ihrer Rechtfertigung nötig waren. Dieses gab dem Apostel Paulus endlich Anlaß, in seinem Sendschreiben an die Römer, Galater, und anderswo den Nutzen und Zweck des Gesetzes und seiner Werke weitläuftig zu zeigen, und sie von dem Glauben Christi und der Gerechtigkeit desselben genau zu unterscheiden; indem er zeigt, wie das vorige aufgehört und unkräftig worden,das andere aber noch nötig bleibe. Und daß die von dem Apostel ausgeschlossene Werke von dieser Art der Werke des Gesctes sind, erhellt aus dem ganzen Innhalt seines Briefs an die Galater, cap. I, 2. 3.4. Denn nachdem er ihnen (im 4. Cap.) vorrücket, daß sie wieder zu den Sakungen der Tage und Zeiten zurück gekebret, und im Anfang des 5. Kapitels ihnen ihre Thorheit nebli der üblen Folge zeigt, so daraus entstehen würde, wenn sie den Zeremonien der Beschneidung anhiengen; so seket er v.6. hinzu: Denn in Christo Jesus gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tbärig ist. Und deshalb schliesset er wiederum cap. 6, 15. Denn in Christo ‘J’Esu gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern eine neue Creatur. Aus diesen Stellen ist die vorgemeldete Uns terscheidung der Werke, darunter einige von der Redytfertigung ausgeschlossen, die andern aber dazu nötig sind, ktärlich

) zu ersehen. Denn der Apostel zeigt hier, daß die Beschneidung (welches Wort öfters deshalb gebraucet wird, daß es alle Zeremonien und den ganzen äußerlichen gefeßlichen Gottesdienji der Juden in sich begreiffet) nicht nötig sei, noch etwas gelte. Hier sind demnach die Werke, die ausgeschlossen sind, durch welche kein Mensch gerechtfertiger wird. Aber der Glaube, der durch die Liebe thärig ist, und die neue Creatur, ist dasjenige, was gilt, und unum: gänglich nötig ist. Denn der Glaube, der durch die Liebe wurket, oder chärig ist, kann nicht ohne Werke sein. Denn wie in eben demselben 5. Kapitel v. 22. gesagt wird, ist die Liebe ein Werk des Geis stes; so kann auch die neue Creatur, wenn sie gültig und notwendig ist, nicht ohne Werke sein, weil ihre unzers trennliche Artist, Werke der Gerechtigkeit zu bringen. Daß auch der Aposiel keineswegs gesonnen sei, solche gute Werke auszuschließen, erbjellet daraus, daß er in eben demselben Brief die Galater dazu anmahnet, und

ihnen die Nukbarkeit und Notwendigkeit aufs deuts Die Nuk: lichste vor Augen Jiellet. Cap.6, 7. 8. 9. Jrret euch nichr, sprichter, Gott láßt sich nicht spotten, denn was der Mensch fäet, das wird er erndten. Wer auf sein Fleisch fäet, der wird vom Fleisch das Verderben erndten. Wer aber auf den Geist säet, der wird von dem Geist das ewige Leben erndten. Lasset uns aber Gutes tun, und nicht müde. werden,

denn zu seiner Zeit werden wir auch ernds ten, ohne Aufhören, wenn wir nicht müde wers den. erhellt nun nicht hieraus, daß der Apostel den Galatern zu erkennen geben wollen, welcher gestalt er die guten Werke für unumgänglid, nötig hielte ? Nemlich

werden,

guten Werke.

nicht die äußerlichen Zeremonien und bergebrachten alten Sagungen des Gesches, sondern die kurz vorher erwehnten Früdyte des Geistes, durch werden Geist sie sich leiten lassen, und in solchen guten Werken wandeln sollten. Wie auch, wie viel er diesen guten Werkeri zus schriebe, als durch, welche, seinem Aussprud) nach, das ewige Leben geerndtet werde.

Nun kann dasjenige ju des Menschen Rechtfertigung nicht unnütze sein, welches ihn fähig madjet, eine so reis che Erndte zu halten.

Lestens aber will ich, zu einer desto volligern Antwort Antwort 2. auf diesen Einwurf, und zu Bestärigung dieser Lehre von guten Werken, noch einen Spruch eben dieses Apostels Pauli zum Beispiel anführen, dessen sich auc) unsere Widersacher in der Blindheit ihres Gemüts wieder uns bedienen. Nemlich Tit. 3, 5. Ficht um der Gerecht: Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan nicht durch haben, sondern nach seiner Barmherzigkeit ma- gejekliche chet er uns selig, durch das Bad (Waschen) der Moigie

Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Gei- sondern stes. Es wird insgemein von allen zugestanden, daß ses durch die lig gemacht allhier eben so viel ist, als ob er gesagt bät- Geifies. te, gerechtfertigt. Nun werden zweierlei Arten der Werke allhier erwebnet. Eine Art, Durch welche wir nicht selig, das ist nicht gerechtfertigt werden; und eine andere, durch weldie wir selig oder gerechtfers tiget werden. Die erste sind die Werke der Gerechtigkeit, die wir gewirkt haben, das ist, die wir in unserer ersten gefallenen Natur durch, unsere eigene Strafte getan und hervorgebracht haben, und dieses sind unsere geseblichen Vouziehungen, und mögen

daher

Antwort.

daher mit Recht und ganz eigentlich, unser, genennt werden, sie mögen auch noch einen so schönen äußerlichen Schein haben. Und daß es notwendig deshalb vers standen werden soll und muß, ist aus dem andern Teil zu ersehen, sondern durch das Bad der Wiederges burt und ‘Erneuerung des heiligen Geistes. Sintes mal die Wiedergeburt ein solches Werk ist, welches sehr viele gute Werke in sich begreift, nämlich alle diejes nigen Werke, welche Früchte des Geistes genennt

werden. Einwuf. Falls aber hier auch sollte eingewendet werden, daß

diese gleichfalls, unser, genennt werden mögen; weil sie in uns, und vielmals durch uns, als Werkzeuge gewürker würden:

So antworte ich, dieses geschieht gar auf eine ang dere Weise, als das Vorige. Denn in dein ersten leben wir nod in unserm eigenen natürlichen, uners neuerten Zustande, da wir von uns feibst wirken, und uns selbst selig zu machen suchen, indem wir uns um eine Gleichförmigkeit und Nadíalmung des Sufferlis chen Buchitabens des Gesekes bewerben, und deshalb in dem fleischlichen Sinn ringen und kämpfen, der doch eine Feindschaft wider Gott ist, und in dem verfluchs ten Willen, der sich dem Gehorsam Gottes noch nicht unterworfen hat. Bei dieser andern Art sind wir mir Christo gecreuziget, mit ihm gestorben, der Gemeinschaft seines Leidens teillyaftig worden, reis nem Tode älinlich gemacht, und unser erster Mensch,

unser alter Mensch mit allen seinen Werken, so wohl Nicht wir, den offenbaren Böfen als den gerecht-scheinenden, uns sondern

fere gesetzlichen Bemühungen und thórichtes Ringen Christus in uns mir: und Kämpfen sind allzumal begraben, und an das ket die es Creuß Christi genagelt; und deshalb sind wir es nicht rechtigkeit.

mehr, sondern Christus, der in und lebt, und solche in uns wurket. So daß, ob schon im gewissen Vers stand wir es sind, so gesdicht es doch auf eine solche

Weise,

Weise, die demjenigen gemäß ist, was der Apostel an eben dieselben Galater sdyreibet, cap. 2,20. Ich bin gecreusziget, nichts destoweniger lebe ich, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir: Nicht ich, sondern die Gnade Christi in mir. Dies fe Werke sind dem Geist Christi und der Gnade Gottes in uns besonders zuzuschreiben, weil wir unmittelbar durch solchen dazu angetrieben, und dars innen geleitet, und solche zu vollbringen vermögend und tüchtig gemacht werden. Und diese Art zu reden ist nicht gezipungen, sondern denen Aposteln gar bekannt und gewöhnlich, wie zu sehen Galat. 2, 8. Denn der mit Petro kr, frig istigewesen,zumApostel-Amt uns ter der Beschneidung, der ist mit mir auch kräftig gewesen etc. Phil. 2, 13. Denn Gottists, der in euch rúrker beide das Wollen und das Volbrins gen zc. Also erhellt aus diesem Ort, daß, nachdem das Waschen der Wiedergeburt zur Rechtfertigung nötig ist, und die Wiedergeburt die Werke in sich begreift, die Werke allerdings nötig sind; und daß die Werke des Gesekes, so ausgeschlossen worden, von diesen, die nötig und zugelassen, untersdjieden wers den müssen.