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Bearbeitungsstand
Was das erste anlangt, beweise ich solches aus Röm. 3,25, welchen Gott hat fürgesteller zu einem Gnaden-Stuhl durch den Glauben in seinem Blut, damit er die Gerechtigkeit, die für ihm gilt, darbiete, in dem, daß er Sünde vergebiet, welche bis anhero blieben waren unter göttlicher Gedult, (oder, wie es eigentlich beißt: seine Gerechtigkeit wegen Vergebung der vergangenen Sünden durch die Verschonung Gottes an den Tag zu legen.) Hier stellt der Apostel vor Augen, wie weit sich die Kraft des Todes Christi erstrecke und zeigt, daß Dadurch, und durch den Glauben daran, Vergebung der vergangenen Sünden erhalten werde. Weil derselbe dasjenige sei, worin die Verschonung oder Langmut Gottes gegen das menschliche Geschlecht geübt worden. Also daß, obschon die Menschen, wegen der Sünden, die sie täglich begeben, den ewigen Tod verdienen, und sie daher der Zorn Gottes billig ergreifen sollet; dennoch, kraft dieses gnugtuenden Opfers Christi Jesus,sich die Gnade und der Samen Gottes in Liebe gegen sie bewegt, so lange der Tag ihrer Heimsuchung währet; jedoch nicht deshalb, als ob dieselben nicht wider das Böse stritten, (denn dieses muß allerdings ausgebrannt und vertilget werden,) fondern den Menschen von seinen Sünden zu erlösen.
Zweitens, wenn Gott mit denen Menschen vollkommen verföhnt wäre, und sie vor gerecht hielte, so lange sie noch wirklich ungerecht sind, und in ihren Sünden fortfahren, so würde Gott keinen Streit mit ihnen haben.1 Wie kommt es denn, daß er sich so oft über diejenigen beklaget, und durch, die ganze heilige Schrift folden Leuten ihr Unrecht so vielfältig unter Augen stellt, welche unsere Widersacher vor gerechtfertigt ausgeben, wenn er ihnen zu erkennen gebietet, daß ihre Sünden ihn und sie von einander scheiden? Jes. 59,2.2 Denn wo eine vollkommene und ganzliche Versöhnung ist, da kann keine Scheidung sein. Ja, aus dieser Lehre folgt notwendig, daß diejenigen, für welche Christus gestorben ist und sie dadurch mit seinein Vater versöhnt hat, entweder niemals sündigen, oder daß sie, wenn sie es tun, dennoch versöhnt sind, und ihre Sünden Gott und sie nicht im geringsten von einander scheiden, ja, daß sie auch in ihren Sünden, oder weil sie sündigen, gerechtfertigt werden. Woraus auch noch diese abscheuliche Folge fliessen würde, daß die guten Werke, und die größten Sünden solcher Menschen in den Augen Gottes einerlei und einander gleich waren. Weil jene weder zu ihrer Rechtfertigung dienten, noch auch diese ihre Versöhnung unterbrächen. Welches Anlaß zu großer Sicherheit gebietet, und allem gottlosen Wesen die Tür eröffnet.
Drittens wurde dieses die praktische, oder die in den Werken und in der Ausübung bestehende Lehre des Evangelium gänzlich über den Haufen werfen, und den Glauben selbst unnötig machen. Denn so der Glaube und die Busse, nebst den andern durch das ganze Evangelium erforderten Bedingungen, eine Eigenschaft ist, die auf unsrer Seite unumgänglich erheischet wird, so sind wir entweder völlig mit Gott versöhnt, ehe diese vollzogen wird, oder nur in einer Fähigkeit, mit Gott versöhnt zu werden, indem er bereit ist, uns zu versöhnen und zu rechtfertigen, wenn diese Bedingungen vollzogen werden. Welches letztere, wenn es zugestanden wird, der Wahrheit, die wir bekennen, gemäß ist. Und wenn wir bereits völlig versöhnt und gerechtfertigt sind, ehe diese Bedingungen vollzogen worden, (welche Bedingungen so beschaffen sind, daß sie nicht auf einmal können geleistet werden, sondern die ganze Lebenszeit geschehen müssen,) so kann man nicht sagen, daß sie unumgänglich nötig sind. Welches dem ausdrücklichen Zeugnis der Schrift zuwider läuft, wie alle Christen zugestehen werden. Denn ohne Glauben ist es 3 unmöglich Gott gefallen. Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet. Denn er glaubt nicht an den eingeborene Sohn Gottes. Wo ihr euch nicht bessere, könnt ihr nicht selig werden. Denn wo ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen. Und von denen, die bekehrt waren, steht: Ich will deinen Leuchter wegstossen von seiner [^b_07_05_04] Stätte, wo du nicht Busse tut. Und wenn ich diejenigen Schrift Stellen alle anführen sollte, die dieses ausdrücklich und klar beweisen, so müsste ich die ganze Bibel abschreiben und alles dasjenige, was von der Lehre handelt, hier her setzen. Denn da Christus gesagt es ist vollbracht, und sein Werk bereits über sechzehn hundert Jahre vollendet: Da er die Erlösung damals so völlig geleistet, und einen jeden, der selig wer den soll, wirklich versöhnte hat: Indem er ihnen nicht nur allein die Gnadentür geöffnet, und ihnen das Opfer seines Leibes dargeboten, wodurch sie, wenn sie Busse tun, Vergebung der Sünden erlangen mögen, und ihnen ein Maß seiner Gnade mitteilte, wodurch sie ihre Sünden erkennen und bereuen können; sondern sie auch wirklich, entweder ehe sie noch glauben, (wie die Antinomianer sagen,) oder nachdem sie der Wahrheit der Historie des Leidens und Sterbens Christi Beifall geben, oder mit der Wassertaufe besprengt worden, rechtfertigt und gerecht macht, weil sie dessen ungeachtet noch immer in der Tat ungerecht sind, deshalb, daß Christus jetzt nichts mehr zu ihrer Versöhnung und Rechtfertigung zu tun oder auf sich zu nehmen habe; so ist alles dasjenige in der Bibel, was von den Lehrpunkten und Geboten handelt, unnütze und vergeblich. Vergeblich und umsonst waren die Apostel ausgesandt worden, Busse und Vergebung der Sünden zu predigen. Vergeblich und umsonst nehmen Lehrer und Prediger so viele Mühe und Arbeit auf sich, erschöpfen ihre Lungen und predigen sich das Herz bald aus dem Leibe, oder geben Bücher und Schriften heraus. Ja noch viel vergeblicher wendet das Volk sein Geld an, das es ihnen vor ihr Predigen gebietet.
Da es doch alles nur Actum agere heisst, und ein vergebliches und unkräftiges Unternehmen ist, dasjenige zu verrichten, was bereits ohne sie so vollkommen geleistet worden.
Aber letztens, ihre menschliche Arbeit vorbei zu gehen, als die nicht werth ist, daß man deswegen ein Wort verlieret, oder fraget, ob solche nötig sei oder nicht; da sie (wie wir hernach zeigen werden) selbst bekennen, daß auch das allerbeste davon sündlich sei: So macht dieses die noch jetzt daurende Fürbitte Christi für die Menschen vergeblich und nichtig. Wie würde es um den wichtigen Glaubensartikel aussehen, in welchem rir bekennen, daß er sitze zur rechten Sand Gottes, und täglich súrbitte für uns einlege; und daß der Geist selbst uns vertrete mit unaussprechlichem Seufzen. Denn Christus bittet nicht für diejenigen, die sich in keiner Möglichkeit selig zu werden befinden. Dieses wäre ungereimt. Und unsere Widersader wollen gar nicht einmal zugestehen, daß er für die Welt gebeten babe. Und für diejenigen zu bitten, die bereits versöhnt und vollkommen gerechtfertigt sind, ist vergeblich. Um Vergebung der Sünden zu bitten wäre noch unnötiger, wenn alle vorigen, jebigen und zukünftigen Sünden erlassen sind. Gewißlich dieses kann nicht gründlicher entschieden werden, als wenn man der Wahrheit gemäß erkennt, daß Christus durch seinen Tod den Zorn Gottes in so weit abgewendet, daß er die Vergebung der Sünden für so viele erlangt, als solche Gnade und solches Licht, so er ihnen mitteilet, und durch sein Blut erkauffet hat, annehmen. Wenn sie daran glauben, so lernen sie erkennen, was Vergebung der vorigen Sünden sei, und überkommen Kraft, sich von der Hoßheit loszumachen, und solche auszufegen, so oft sie aus Mangel gebührender Wachsamkeit oder aus Schwachheit straucheln und wieder darein fallen, wenn sie sich alsbald wieder zu dieser Gnade wenden und wahre Busse tun. Denn so viele als ihn aufnehmen, denen gebietet er Macht, Gottes Kinder zu werden. Also werden eber keine Gottes Kinder, keine gerechtfertigt, keine versöhnt, bis sie ihn in solchem kleinen Samen in ihren Herzen aufnehmen. Und das ewige Leben wird denen angeboten, die mit Gedult in guten Werken trachten nach Preiß und Ehre, und einein unvergänglichen Wesen. Denn wenn der Gerechte abweicher von seiner Gerechtigkeit, so roll seiner Gerechtigkeit nicht mehr gedacht werden. Und deshalb sind, andern Teils, keine länger Gottes Kinder und gerechtfertigt, als so lange sie geduldig in Gerechtigkeit und guten Werken verharren. Daher lebt Christus immerdar, und bittet für sie, so lange eines jeden Tag der Heimsudung wälret, daß sie mögen bekehrt werden. Und wenn die Menschen einiger Massen bekehrt sind, so legt er Fürbitte vor sie ein, daß sie im Guten fortfahren, und immer weiter kommen, niemals laß werden, oder gar wieder aurück weichen mögen. Es könnte noch weit mehr zu Bekräftigung dieser Wahrheit angeführt werden, ich muß aber weiter gehen, und der gemeinen Einwürfe Meldung tun, die von den Fortpflanzern der widrigen Meinung gebraucht werden.
[^b_07_05_04] Offenb. Joh.2,5.
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Ich rede nicht nur von den Menschen vor der Bekehrung, welche hernach berehret werden, von welchen jedennoch einige von unsern Widersachern, nämlich diejenigen, so Antinomianer genennt werden, behaupten, sie waren vom Anfang her gerechtfertigt; sondern ich rede auch von denjenigen, welche (nach der gemeinen Meinung der Protestanten) zwar bekehrt sind; aber dennoch dabei allezeit in einigen Missetaten und bisweilen gar in erforedlichen Sünden, wie an des Davids Ehebruch und Sodtschlag zu sehen, stehen blieben, und doch nichts destoweniger vollkommen und gänglich gerechtfertigt waren. ↩︎
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“[…] sondern eure Vergehen sind es, die eine Scheidung gemacht haben zwischen euch und eurem Gott, und eure Sünden haben sein Angesicht vor euch verhüllt, dass er nicht hört.” ↩︎
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Hebr.11,6. Joh. 3,18. Luk. 13,3. Rom.8,13. ↩︎