7.3
Bearbeitungsstand
So sagen wir dann, erstens, wie aus der Erklärung des vorigen Satzes erhellt, allen natürlichen Kräften, und allem natürlichen Vermögen in uns selbst, ab, um uns aus dem verlorenen und gefallenen Zustand, und der ersten verdorbenen Natur hinaus zu helfen; und bekennen, daß, gleichwie wir von uns selbst nichts zu tun vermögend sind, das gut ist, deshalb wir auch durch keine eigene Werke weder die Vergebung der Sünden, noch die Rechtfertigung, so, daß wir solche verdienten, oder als eine Schuldigkeit von Gott empfingen, zuwege bringen können; sondern wir bekennen, daß alles von und aus seiner Liebe fließt, welche die Quelle und Grundursache ist, daß wir ihm angenehm sind.
Zweitens hat Gott diese Liebe gegen uns geoffenbart, als er seinen geliebten Sohn, den Herrn Jesum Christus, in die Welt gesandt, der sich Gott selbst zu einem Opfer zur sühnung, und zu einem süßen Geruch dargegeben; und nachdem er durch das Blut seines Kreuzes Friede mit Gott gemacht hat, daß er uns mit ihm selbst versöhnte und sich selbst Gott durch den ewigen Geist ohne Mund1 darstellte, und für unsere Sünden bitte, der Gerechte vor die Ungerechten, daß er uns zu Gott bringen möchte.
Nachdem, drittens, alle Menschen, die zu einem erwachsenen Alter gelangt, (den Menschen Jesum allein ausgenommen) gesündigt haben, so haben auch alle dieses Heilands nötig, daß er den Zorn Gottes, den sie mit ihren Übertrettungen verdienen, von ihnen abwende. In Ansehung dessen wird mit Recht von ihm gesagt, daß er unser aller Sünden getragen an seinem Leibe an dem Holz. Und deshalb ist er der einzige Mittler, der den Zorn Gottes gegen uns gestillt; deshalb, daß und unsere vorigen Sünden nicht im Wege stehen, weil sie durch sein allerheiligstes Opfer auf eine befriedigende Weise abgetan und vergeben sind. So halten wir auch nicht dafür, daß die Vergebung der Sünden auf eine andere Weise, oder durch einige Werke, oder durch ein Opfer, wie solches auch Namen haben mag, zu hoffen, zu suchen oder zu erlangen sei. (Ob schon, wie vorhin gemeldet worden, auch diejenigen dieser Vergebung können teilhaftig werden, die von der Historie nichts wissen.) So hat uns denn Christus, durch sein Leiden und Sterben, mit zwischen Gott versöhnt, da wir noch Feinde waren. Dasheiß, er bietet uns die Versöhnung an, wir sind in eine Fähigkeit gesetz, daß wir versöhnt werden können. Gott ist willig und bereit, uns unsere Missetaten zu vergeben, und uns anzunehmen. Wie solches von dem Apostel 2.Korinther 5,19. wohl ausgedruckt wird:
nämlich daß Gott in Christo war, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend, und hat in uns das Wort der Versöhnung niedergelegt.
Und deshalb ermahnt sie der Apostel in den folgenden Versen an Christus statt, daß sie sich mit Gott möchten versöhnen lassen. Wobei er ihnen zu erkennen gibt, daß der Zorn Gottes durch den Gehorsam Christi abgewendet, und derselbe willig und bereit sei, mit ihnen versöhnt zu werden, und ihnen die vergangenen Sünden, wenn sie Busse täten, zu vergeben.
Wir betrachten demnach unsere Erlösung in einem zweifachen Absehen oder Zustand, deren jede, ihrer Eigenschaft nach, vollkommen ist, obschon, in ihrer Zueignung, die eine, ohne Absicht auf die andere, nicht ist, und auch nicht sein kann.
Die erste ist die Erlösung, welche von Christo für uns, an seinem gekreuzigten Leibe, ohne der ausser uns geleistet und vollendet worden. Die andere ist die Erlösung, so von Christo in uns gewirkt wird, welche nicht weniger auf eine eigentliche Art eine Erlösung zu nennen und davor zu halten ist, als die vorige. Die erste ist demnach diejenige, wodurch ein Mensch, in seinem gefallenen Zustand, in eine Fähigkeit, selig zu werden, gesetzt wird, und ein Maß von derjenigen Macht, Kraft, Geist, Leben und von derjenigen Gnade überkommt, so in Christo Jesu war, welche als eine freiwillige Gabe Gottes vermögend ist, dem bösen Saamen, womit wir durch den Fall, von Natur, als mit einem Sauerteig angesteckt sind, die Wage zu halten, ja, denselben gänzlich zu überwinden und auszurotten.
Die Zweite ist diejenige, wodurch wir diese reine und vollkommene Erlösung in uns selbst bezeugen und kennen, welche und reinigt, läutert und von der Macht des Verderbens befreit, und uns in die Vereinigung, Gnade, Huld und Freundschaft mit Gott einführt. Durch die erste sind wir, die wir in Adam verloren, und in dem bitteren und verderbten Samen eingetaucht, von uns selbst zu allem Guten unvermögend, und hingegen zu allem Bösen von Natur geneigt, mit der Ungerechtigkeit verknüpft und vereinigt, ja Knechte und Leibeigene der Macht und des Geistes der Finsternis waren, dessen allen ungeachtet, so weit mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt worden, da wir noch Feinde waren, daß wir in einen Stand gesetzt worden, der Seligkeit fähig und teilhaftig zu werden: Da uns die fröhliche Botschaft des Evangelium des Friedens angeboten wird, und Gott in Christo mit uns versöhnt ist, und uns zu sich beruft und einlädt. Und auf diese Weise verstehen wir diese Schriftstellen recht:
Er hat die Feindschaft getötet durch sich selbst. Er hat uns erst geliebt. Da er uns in unserm Blut liegen sah, sagt er zu uns, du sollst leben. Welcher keine Sünde hatte, trug unsere Sünde an seinem Leibe an dem Holz; und ist gestorben für unsere Sünden, der Gerechte, für die Ungerechten. 2
Durch die Zweite bezeugen wir, daß diese Fähigkeit, oder dieses Vermögen, wirklich zur Tat gebracht worden; wodurch wir, wenn wir die Frucht seines Todes annehmen und derselben nicht wiederstehen, nämlich das Licht, den Geist, und die Gnade Christi, so in uns offenbart ist, eine wirkliche, wahre und innerliche Erlösung von der Gewalt und Herrschaft der Sünde bezeugen, und besitzen, und deshalb wirklich und wahrhaftig erlöst, gerechtfertigt und gerecht werden, und zu einer empfindlichen Vereinigung und Gemeinschaft mit Gott gelangen. Also hat er sich für uns gegeben, auf daß er uns etldsete von aller Ungerechtigkeit; Und deshalb erkennen wir ihn und Die Kraft seiner Auferstehung, und die Gemeinschaft seiner Leiden, daß wir seinem Tode ähnlich werden.3 Diese letzte folgt in richtiger Ordnung auf die erste, und ist eine
erselben, die daraus entspringt und davon herrührt, wie eine Wirkung von ihrer Ursache. Denn gleichwie nicmand sich der Lestern würde zu erfreuen gehabt haben, wenn nicht (weil es Gott deshalb gefallen,) die ersie gewesen wäre; also kann auch nun niemand der ersten teilhaftig werden, als in so ferne er die letzte bezeugt. Daher sind sie uns beide die Ursachen unserer Rechtfertigung. Die erste ist Causa efficiens, die wirkende Ursache, die solches hervorbringt; und die andere ist Causa formalis, die wirkliche oder ausdrückliche Ursache, der Art und Gestalt nach welcher es hervor gebracht wird.
Viertens verstehen wir durch die Rechtfertigung Erklärung durch Christus nicht bloß die guten Werke, wenn sie auch gleich durch den Geist Christi gewirkt werden: Denn, wie die Protestanten mit Recht behaupten, sind solche mehr eine Wirkung der Rechtfertigung, als die Ursache derselben; sondern wir verstehen die Gestaltung Christi in uns, daß Christus in uns eine Gestalt gewinne, in uns gebohren und hervorgebracht werde: Woraus gute Werke so natürlich hervorkommen, als die Frucht von einem fruchtbaren Baum. Diese innerliche Geburt in uns ist es die uns rechtfertigt, indem sie Gerechtigkeit und Heiligkeit in uns hervorbringt. Welche, wenn sie die widrige Natur und deir widerwärtigen Geist, so über uns herrschte, und uns zur Verdammnis verleitete, aus den Weg geräumet hat, die Herrschaft in unsern Herzen über alles fülyret. Diejenigen demnach, die Christus deshalb kennen lernen, daß er auf diese Weise eine Gestalt in ihnen gewinnt, geniessen und besitzen ihn ganz und unzeteilt, ihn, den HERRN, der unsere Gerechtigkeit ist, Jer. 23,6. Dieses heißt mit Christu bekleidet zu sein, und ihn angezogen zu haben, welche Gott daber auch annimmt,und vor wirklich gerecht achtet. Es fehlt also sehr weit, daß dieses der Katholiken ihre Lehre sein sollte: Denn gleich wie die meisten unter ihnen solche nicht einmal verstehen; deshalb widersetzen sich die Gelehrten unter ihnen derselben vielmehr, und streiten dawider, wie insbesondere Bellarminus getan hat. So sind dann, eigentlich zu reden, die Causa formalis oder ausdrückliche Ursache der Rechtfertigung nicht die Werke, als die nur eine Wirkung derseiben sein; sondern diese innerliche Geburt, dieser Jesus, der in dem Herzen hervor gebracht wird, welcher Gottes lieber Sohn ist, an dem der Vater Wohlgefallen hat, und ihn daher annehmen muß, nebst allen, die deshalb mit seinem Blut bespritzt und abgewaschen sind. Hierdurch kommt auch die Gemeinschaft der Güte Christi auf uns, wodurch wir der göttlichen Natur teilhaftig werden, wie Petrus sagt, 2 Petrus 1, 4. und uns mit ihm vereinigen, als die Reben mit dem Weinstock, und ein Recht und einen Anspruch an demjenigen haben, was er für uns getan und gelitten hat. Also, daß sein Gehorsam unser Gehorsam wird; reine Gerechtigkeit unsere Gerechtigkeit; sein Tod und Leiden und Leiden unser Tod und Leiden. Und durch diese nahe Verwandschaft erlangen wir eine Empfindung seines Leidens, und leiden wirklich mit seinem Samen, der noch unterdrückt und gekreuzigt in den Herzen der Gottlosen liegt; und arbeiten deshalb damit, sowohl zu dessen Erlösung als zur Bekehrung derjenigen Seelen, die den Herren der Herrlichkeit dennoch darinnen kreuzigen. Wie von Paulus gesagt wird, daß er leide und erstatte an seinem Fleische, was noch mangele an Trübsal in Christo für seinen Leib, welcher ist die Gemeine. Obschon dieses Geheimnis allen Weisen dieser Welt, denen dieser Same in ihnen selbst dennoch unbekannt ist, und die sich demselben widersetzen, versiegelt bleibt; so finden sich dennoch unter den Protestanten einige, die von dieser Gerechtigkeit durch Christus, wenn er innerlich angezogen wird, gleichfalls Meldung tun, wie hernach an seinem Ort soll erzählt werden.
Und ob wir schon letztens, die Vergebung der Sünden in der Gerechtigkeit und dem Gehorsam Christi setzen, so von ihm im Fleisch geleistet worden, was die entfernte, verschaffende Ursache anlangt; und wir uns selbst formell oder wirklich durch Jesum Chrisrum vor gerechtfertigt halten, der in uns gestaltet und hervorgebracht wird; So können wir doch die Werke von der Rechtfertigung nicht ausschließen, (wie einige Protestanten auf keine auzuweissliche Art getan haben.) Denn ob wir schon eigentlich nicht wegen derselben gerechtfertigt werden, so werden wir dennoch in denselben gerechtfertigt; und sie sind nötig, als causa sine qua non 4, das ist, als die Ursache, ohne welche niemand gerechtfertigt wird. Denn gleichwie die Verneinung dessen dem Zeugnis der Schrift zuwider ist; deshalb hat solches in der protestantischen Religion groß Ärgernis angerichtet, denen Katholiken Gelegenheit zur Lästerung gegeben, und viele zu großer Sicherheit verleitet, wenn sie geglaubt, als ob sie ohne gute Werke gerechtfertigt würden. Über dieses ob es schon eben nicht so sicher ist zu sagen, sie sind verdienstvoll; so haben dennoch, weil sie belohnt werden, viele von denen alten Kirchenlehrern kein Bedenken getragen, das Wort, Versdienst, zu gebrauchen, welches vielleicht einige unter uns, in einem gemilderten Verstand, gleichfalls getan haben, keineswegs aber die oben erwehnten päpstlichen Missbrauche einzuführen. Und legtens, wenn wir denjenigen Begrifvon guten Werken hätten, welchen die meisten Protestanten davon haben, so könnten wir gar leichtlich mit ihnen darinnen eins werden, solche nicht nur für unnötig zu erklären, sondern auch gänzlich zu verwerfen und für schädlich zu halten; nemlich, daß die allerbesten Werke auch der Heiligen selbst befleckt und unrein wären. Denn ob wir wohl dieses Urteil von den besten Werken fällen, die vom Menschen verrichtet werden, der sich dem äussserlichen Gesetz gleichförmig dazustellen, und solche durch seine eigene Kräfte und seinen eigenen Willen zu vollbringen sucht; so glauben wir dennoch, daß solche Werke, die natürlicher Weise aus dieser geistliden Geburt und Gestaltung Christi in uns entstehen, rein und heilig, ja so rein und heilig, als die Wurzel selbst, sind aus welcher sie entspringen. Und deshalb nimmt Gott solche an, rechtfertigt uns darinnen, und belohnt uns deswegen aus seiner eigenen freien Gnade. Nachdem die eigentliche Bewandniß der Streitfrage deshalb festgestellt ist, so entspringen die folgenden Sätze daraus, die wir hiernächst zubeweisen haben.
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“Maeul” warscheinlich “Maul”, Althochdeusch “Mund”. https://de.glosbe.com/de/goh/Maul ↩︎
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Epheser 2,15. 1.Johanis 4.10. Ezechiel 16,6. 1.Petrus 3,18+22+24 ↩︎
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Titus 2,14. Philipper 3,10 ↩︎
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Grundvoraussetzung, Vorbedingung ↩︎