3.4
Bearbeitungsstand
Dasjenige kan, lektens, nicht die gewichtigste Regel und Richtschnur sein, welches sich nicht insgemein auf ein jedes insbesondere erstreckt, das solches nötig hat, die erwünschte Wúrkung hervor zu bringen; und von dessen Gebrauch viele, die doch zur sichtbaren Kirche gehören, ja, mit gutem Grund für Auserwählet zu achten, (wegen eines unschuldigen und unsündliden Gebrechens, oder einer natürlichen, jedoch unschädlichen und untadelhaften Unvollkommenheit) notwendiger Weise und zwar entweder gänzlich, oder doch zum wenigsten von dem unmittelbaren Gebrauch desselben, ausgeschlossen sind. Es ereignet sich öfters, daß taube Leute, Kinder und Einfältige sich die heilige Schrift keineswegs zu Nuß machen können, als es ihnen nötig ist. Sollen wir denn nun sagen, daß sie in Ansehung Gotttes gar keine Richtschnur haben, oder daß sie alle verdammt sind? Gleichwie aber eine solche Meinung an ausges sich selbst sehrungereimt ist, und weder mit der Gerechtigkeit noch Barmherzigkeit Gottes bestehen kan; deshalb weiß ich nicht, was man aus der gesunden Vernunft zu deren Behuf anführen könnte. Wenn wir nun sezen, wie wir, ohne etwas Ungereimtes zu begehen, gar wohl tun mnogen, daß dergleidyen Personen unter der Ordnung des neuen Bundes sieben, so können wir ihnen unmöglich alle Mittel der Erkenntnis absprechen, oder sagen, als ob sie ganz ohne Regel und Richtschnur waren. Zumal ausdrücklich bekräftigt wird: Sie werden alle von Gott gelehrt sein, Job. 6,45. Und sie sollen mich alle kennen von dem Kleinsten an bis zu dem Großten, Hebr. 8, 11. Alleine, wenn wir auch gleich von dieser Schwierigkeit befreit waren, so ist deswegen dod noch nicht alle Ungleidheit gehoben. Wie viele ungelehrte, und dennoch froinme Leute giebt es in der Gemeine Gottes, die nicht einmal einen Buchstaben in ihrer Mutter Sprache lefen können? Ob nun schon diese Unvollkommenheit eben nicht zu loben, sondern vielmehr eine große Hinderniß ist, so will ich sie doch auch nicht so schlechterdings vor sündhaft erklären. Diese nun können keine unmittelbare Wissenschaft von der Richtschnur ihres Glaubens haben. Also muß ihr Glaube aufdie Treue anderer Menschen, die ihnen solches vorlesen oder erzehlen, ankommen; da denn eine geringe Veränderung, Beyfügung oder Aussenlassen eines einzigen Wörtgens bei einem solchen armen Zuhörer oft zu einem sehr gefährlichen Irrthum Gelegenheit geben kan, wodurch er entweder unwissentlich in einer Ungerechtigkeit beharrt, oder einer Lüge zuversichtlich Glauben gebietet. Als zum Beispiel, die Katholiken haben in ihrem Catechifino, und in allen ihren öffenttichen Lehr-Büchern und Unterweisungen des gemeinen Voles, das zweite Gebot fühnlich außen gelassen, weil es so ausdrücklich wider ihre Anbätung und ihren Gebrauch der Bilder zu zeugen scheint: Da denn viele von diesen armen Leuten, bei ireldhen, wegen besagter Aussenlassung, diese falsche Meinung gebeget wird, unter einer unumgänglichen Notwendigkeit, oder doch zum wenigsten unter einer sehr großen Schwierigkeit stehen, äußerlich von diesem Missbrauch unterrichtet zu werden. Alleine wir wollen ferner sehen, daß alle Leute die Schrift in ihrer Mutter Sprache lesen könnten, wo wird man aber unter tausenden einen finden, der die Grund-Sprachen, worin sie geschrieben ist, so vollkommen ver steht, daß er in diesein Stück ihres Nutzens unmittelbar teilhaftig wird? Müssen sich diese nicht alle auf die Treue und Aufrichtigkeit der Ausleger erlassen? Wie ungewiss aber dieses ist, seinen Glauben darauf zu gründen, das bezeugen die vielen Verbesserungen, Aenderungen und mancherley Versuche neuer Übersehungen, die auch unter den Protestanten gebraucht worden, da immer die teßtern die vorigen getadelt und die darinnen vorkommenden Fehler und Irrtümer verbessert haben. Und daß auch die allerneuesten Überfeßungen der Bibel in die gemeinen Sprachen noch einer Verbesserung nötig haben, (wie ich, wenn es sich an diesem Ort tun ließ, weitläuftig zeigen könnte) solches wird von den Gelehrten offentlich zugestanden. Leztens fället auch nicht weniger Schwierigkeit bei denen vor, die in den Grund-Spraden wohl erfahren sind, und doch den Sinn der Schibenten dieser Schriften nicht so unmittelbar erreichen und annehmen können, daß sie nicht ihren Glauben, zum wenigsten auf eine ungleiche Weise, auf die Ridytigkeit und Treue der Abschreiber bauen müssen, massen von allen zugestanden wird, daß die Originalien nicht mehr vorhanden sind.
Über solche Absdyreiber hat schon Hieronymus zu seiner Zeit geklaget, wenn er spricht, daß sie nicht geschrieben was sie gefunden, sondern was sie verstanden hätten! Und Epiphanus sagt, es sei in den guten und richtigen Abschriften des Evangelisten Lucá geschrieben gewesen, daß Christus geweint hätte, und daß Irenæus solches anführe; die Katholischen aber bätren es ausgestrichen, Damit es nicht die Besser vielleicht missbrauchen möchten: So bezeugen auch noch andere von den Kirchen-Vätern, daß ganze Versicul, der Inanichaer wegen, aus dein Evangelio S. Marci heraus genommen worden.
Ferner, die manderley Lesungen der Hebräischen Buchstaben wegen der Punkte, welche einige für so alt ausgeben, als die ersten Schriften. Andere aber führen mit eben so großer Wahrsccinlichkeit an, daß sie später erfunden worden. Die schlechte Übereinstimmung verfahiedener von Christo und den Aposteln angezogener Sprüche mit den Stellen im alten Testament. Die große Streitigkeit unter den Kirchen-Vätern, darunter einige die Griechische Übersegung der 70. Dollmetscher aufs höchste erheben, hingegen den Hebräischen Text herunter und sehr zweifelhaft machen, als ob er von den Juden an vielen Ortn verfälscht und verändert wäre. Andere, und besonders Hieronymus, erheben die Gewissheit des Hebräischen, und verwerfen, ja verlachen die Geschichte der 70. Dolmetscher, deren sich doch die erste Kirche vornehmlich bedient; und einige Váter die ganzer Jahr-lunderte vor ihm lebten, behaupteten, daß es eine ganz gewisse Sache sei. Die verschiedenen Lesungen in manchen Abschriften des Griechischen, und die heftigen Zánkereyen unter den Vatern der ersten drev hundert Jahre (die doch großere Gelegenheit batten, besser unterrichtet zu werden, als wir jetzt haben,) wegen der Bücher, die angenommen oder verworfen werden sollten, davon schon oben Erwähnung geschehen. Alles dieses sage ich, und noch ein weit mehrers, so angeführt werden könnte, reket die Gemúther, auch der Gelehrten selbst, in unendliche Zweifel, Ungewissheiten und Schwierigkeiten, aus denen sie sich nicht hinaus zu wickeln wissen. Woraus wir gar sicher schließen mögen, daß Jesus Christus, welcher verheißen hat, allezeit bei seinen Kindern zu sein, sie in alle Wahrheit zu leiten, sie vor den listigen Nachstellungen des Widersachers zu bewahren, und ihren Glauben auf einen unbeweglichen Felsen zu gründen, sie keineswegs in so mißlichen Umständen gelassen habe, daß sie sich hauptsä dylich nach demjenigen ridhten müßten, welsches selbst vielen Ungewissheiten unterworfen ist. Und deshalb hat er ihnen seinen Geist zu ihrem Haupt-Führer geben, den weder Motten noch Zeit verzehren, und weder Abschreiber noch Überfeker verderben können: Dem niemand zu jung, niemand zu ungelehrt, niemand zu weit entlegen ist, daß er nicht von ihm erreicht und aufs beste unterrichtet werden mödte.
Durch die Klarheit, so uns dieser Geist mitteilet, können wir uns alleine aus denjenigen Schwierigkeiten, die wegen der Schrift entstehen, am allerbesten hinaus helfen.
Von der wirklichen und unzweifelbaren Erfahrung dessen, bin ich mit großer Bewunderung der Liebe Gottes gegen seine Kinder in diesen lebten Tagen, selbst ein Zeuge gewesen. Denn ich habe einige von meinen Freunden gekannt, die eben den Glauben bekennen, den ich bekenne, und getreue Knechte des allerhöchsten Gottes, und voller göttlicher Erkenntnis seiner Wahrheit sind, wie es ihnen aus einer wahren und lebendigen Erkenitniß, unmittelbar und innerlich durch Den Geist offenbart worden; welche nicht nur im Griechischen und Hebräischen ganz unwissend waren, sondern darunter auch einige nicht einmal ihre gemeine Mutter-Sprache lesen konnten, und als von den Widersachern mit einigen aus der Englischen Übersetzung angeführten Schrift-Stellen auf sie gedrungen wurde, und sie befanden, daß solche mit der offenbarten Wahrheit in ihrem Herzen nicht überein stimmeten, so haben sie kühnlich versichert, daß der Geist Gottes niemals deshalb gesagt habe, und es gewisslich unrecht sei. Massen sie nicht glauben könnten, daß von den heiligen Propheten und Apostem jemals einer deshalb geschrieben habe. Daich denn auch nach genauer Untersuchung wirklich befande, daß es Fehler und Verfälschungen der Überseker waren: Welche, wie an den meisten Übersegungen zu sehen, uns nicht so wohl die ächte und eigentliche Bedeutung der Worte geben, als daß sie dieselben auf Schrauben seßen, um dasjenige zu erzwinggen und auszudrucken, was derjenigen Meinung und demjenigen Begrif, so sie von der Sache haben, am nächsten kommt." Und dieses scheint mir sehr wohl mit den Worten des Augustini übereinzustimmen, wenn er Epist. 19.ad Hier. Tom. 2. Fol. 14. sagt,
“daß er nur denjenigen Büchern, die man Canonisch nennt, die Ehre gebe, daß er glaube, die Verfasser derselben hätten, als sie solche geschrieben, nicht geirrt;”
und hernach hinzu setzt,
“Und wenn ich etwas in diesen Schriften antreffe, daß mit der Wahrheit zu streiten scheint, so will ich kein Bedenken tragen, darfür zu halten, daß entweder das Buch mangelhaft oder irrig sei; und daß entweder der Dollmetscher die Meinung dessen, so gesagt worden, nicht erreiciet, oder daß ich solche gar nicht einmal verstanden habe.”
Daß er deshalb dafür hält, daß in den Abschriften und Überstzungen Fehler vorgehen können.