Apologie von Robert Barclay in der Übersetzung von 1776

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Der erste Teil dieses Satzes hat keiner Vertheidigung nötig, sondern ist nur eine gute Vertheidigung für uns, und wird unter andern vielen Verleumdungen, womit wir zum öftern beschmißet werden, auch diejenige mit ausfegen helfen, da mnan uns beschuldiget, als ob mir Verachter der Schrift waren, und dieselbe zu verkleinern und gar zu leugnen sudyten. Denn er erhellt aus demjenigen, was wir davon behaupten, klar, wie hoch wir solche schäßen; indem wir sie (ohne allem Betrug und ohne alle Zweydeutigkeit) für die fürtreflichjten Schriften in der ganzen Welt achten: Welchen nicht nur keine andern Schriften vorzuziehen, sondern auch, aus vielen Ursadjen, auf keinerlei Weise zu vergleichen sind. Denn gleichwie wir frei gestehen, daß ihr Ansehen nicht auf der Genchmhaltung oder den Schlüssen einer gewissen Kirche oder Versammlung berubet; deshalb können wir solche keineswegs der gefallenen, verderbten und befleckten Vernunft des Menschen unterwerfen. Und gleichwie wir darinnen mit den Protestanten freimüthig überein kommen, und dem Irrthum der Römischen Kirche zuwider sind; deshalb fomen wir im Gegenteil darinnen auch nicht so weit gehen, als diejenigen unter den Protestanten, welche ihr Ansehen auf eine in denen Schriften selbsten enthaltene Kraft und Gewalt beruhen lassen; sondern wir begehren alles demjenigen Geist zuzuschreiben, von welchem sie entsprungen sind.

Wir bekennen zwar, daß es weder der Schreib-Art an Vortrefflichkeit, noch auch irgends einem Teil an ridytigem Zusammenhang, viel weniger der ganzen Schrift überhaupt an dem herrlichsten Endzweck fehle; nachdem aber diese Dinge nicht von dem natürlichen, sondern nur von dem geistlichen Menschen erkannt werden; so ist es der Geist Gottes, der uns das Vermögen geben kan, der heiligen Schrift dergestalt zu glauben, daß es unser Gewiffen zu frieden stellt. Daher sich auch einige der gewichtigsten unter den Protesianten gedrungen sehen, dieses sowohl in ihren besondern Schriften als öffentlichen Bekenntnissen zu gestehen.

Calvinus schreibt, wenn es wahr sei, daß ein Gott im Himmel ist, so wäre er auch vermögend dazutun, daß diese Schriften von ihm herkämen. Und dennoch schliesset er, daß eine andere Erkenntnis nötig sei. Instit. lib. I. cap. 7. Sect. 4.

“Wenn wir, spricht er, denen Gewissen wollen geholfen sehen, daß sie nicht mit stetem Zioeifelmuthy gequält werden, und bei einer jeden Schwierigkeit hangen bleiben und in Ungewissheit gerathen, so ist nötig, daß dicse Überzeugung, von der wir reden, von etwas höhers, als der menschliden Vernunft, dem menschlichen Urteil oder der menschlichen Muthmalssung hergenommen werde, nämlich von dem geheimen Zeugnis des heiligen Geistes. Und wiederum: Denen die von uns verlangen, daß wir ihnen aus der Vernunft beweisen sollen, welcher gestalt Moses und die Propheten von Gott getrieben, oder ihnen dasjenige, was sie reden sollen, eingegeben worden? Antworte ich, daß das Zeugnis des heiligen Geistes weit fürtreflicher als alle Vernunft sei. Und abermal: Lasset dieses eine bestandige Wahrheit bleiben, daß derjenige allein, welchen der heilige Geist überzeugt, sich mit einer rechten Gewisshieit auf die Schrift verlassen kan. Und letztens nochmals: Dieses ist demnach ein Urteil, welches nicht anders, als durch himmlische Offenbarung erlangt werden kan.”

Eben dieses wird auch in dem ersten öffentlichen Bekenntniß, so die Gemeinen in Frankreidy 1559. heraus gegeben, Art. 4. bekräftigt.

“Wir wissen, heißt es, daß diese Bücher canonisch, und die gewisseste Richtschnur unseres Glaubens sind, und zwar nicht sowohl durch den gemeinen Beifall und einhelligen Schluß der Kirche, als durch das Zeugnis und die innerlide Überredung des heiligen Geistes.”

Also wird auch in dem fünften Artikel des Glausbens-Bekenntnisses der Gemeinen in Holland, so von bem Synodo zu Dortrecht bestätigt worden, gelehrt, behaupten wenn steht:

“Wir nehmen diese Bücher allein für beilig, canonisch und gewiss an, nicht sowohl deßwesgen, weil sie die Kirche annimmt und billiget, als weil der Geist Gottes Zeugnis gebietet in unsern Herzen, daß sie von Gott sind.”

Und letztens konnten die fogenannten Gottesgelehrten zu Westmünster, welche sich vor dem Zeugnis des Geistes fürchteten, und daher dawider bewahrten, weil Sie spürten, daß die Austeilung der Gnaden-Gaben Gottes, so hervor brache und sie verdunkle, großer wäre als diejenige, worunter sie stunden, nicht umbin, dieses zu bekräftigen, ob sie es schon nicht so klar und deutlich, und so aufrichtig und getreulich ausgedrucket, als diejenigen, die vor ihnen hergegangen sind. Es be steht cap. 1. Sect. 5. in diesen Worten:

“Nichts destowesniger rührt doch unsere völlige Überzeugung und Versicherung der unbetrüglichen Wahrheit derselben von der innerlichen Wirkung des heiligen Geistes her, welcher durch das Wort und mit dem Wort in unsern Herzen Zeugnis gebietet.”

Aus welchem allem genugsam erhellt, wie notwendig es sei, die Gewissheit der Schrift sonst nirgends als bei dem Heil. Geist zu suchen. Die unendlichen WortGezänke und Feder-Kriege derer, die ihr Ansehen anderswo suchen, bezeugen die Wahrheit dessen deutlich.

Die Alten selbst, auch schon in den ersten hundert Jahren, waren darinnen nicht eins mit einander. Indem einige von ihnen Bücher verwarfen, die wir annehmen, und andere darunter diejenigen für genehm hielten, die wir verwerfen 1 . Es ist denen, die in den Geschichten des Alterthums nur die allergeringste Erfahrung haben, nicht unbekannt, was vor Streitigkeiten wegen der andern Epistel Petri, der Epistel Jacobi, der andern und dritten Epistel St. Johannis und der Offenbarung St. Johannis entstanden, welche viele, auch sehr alte Lehrer, nicht für acht erkennen, sondern leugnen, daß solche von dem geliebten Jünger und Bruder Jacobi, sondern von einem andern dieses Namens, geschrieben worden. Wie würde es nun um die Christen aussehen, wenn sie nicht denjenigen Geist, und diejenigen geistlichen Sinne empfangen bätten, wodurch sie das Wahre vom falschen zu unterscheiden wissen? Es ist der besondere Vorzug der Schäsein Christi, daß sie seine Stimme hören, und der Stimme eines Fremden nicht folgen. Wenn dieser Vorzug hinweg genommen ist, so sind wir allen reisenden Wólfen zum Raube überlassen.


  1. Concil. Laod. Can. 58. in Cod. Ec. 163. das Concil. zu Laodicza ward gehalten im Jahr 364. und schloß von seiner Kirchen-Regel aus das Buch der Weisheit, Judith, Tobia, die Bücher der Maccabäer, welche alle in dem Anno 399. zu Cathago gehaltenen Concilio angenommen wurden. ↩︎