2.14
Bearbeitungsstand
Ob ich schon die leichtfertigen Handel, so Wiedertäufern zu Münster nachgesagt werden, von Herzen verabscheue, so erkühne ich mich dennoch, wenn wir dasjenige, was in der Tat wirklich geschehen und vorgegangen, betrachten, dieses zu sagen, daß von denen, die sich auf die Tradition, auf die Schriftten und Vernunft berufen, eben so bófe, wo nicht noch ärgere Dinge verübt worden. Inmassen sie ausdrücklich bekräftigen, daß sie durch diese Regeln dazu bemächtiget wären; man erinnere sich nur der Unrube, der Empörungen und Kriege, des erschröcklichen Blutvergiessens und Elends, womit Europa bloß einige Zeit-Alter her geplagt worden. In welchen Katholiken wider Katholiken, Calvinisten wider Calvinisten, Lutheraner wider Lutheraner, und Katholiken durch Beistand der Protestanten wider andere protestanten, welche Katholiken zu Hilfe genommen, einander jämmerlich in den Haaren gelegen, und entfeßliches Blut vergolfen haben. Da sie Leute gedrungen und gezwungen, einander zu ermorden, die doch weder von der Ursache und Beschaffenheit des Streits etwas gewusst, noch einander selbst bekannt gewesen. Wobei sie sich doch jederzeit allerseits auf die Vernunft gegründet, und dessen Rechtmäßigkeit aus der Schrift bewiesen haben.
Denn was haben die Katholiken wegen ihrer vielen so wohl in Frankreich als an andern Ortn verübten Grausamkeiten und Niedermegelungen vor eine andere Ursache angeführt, als die Tradition, die Schrift und Vernunft? Haben sie nicht gesagt, daß ihnen die Vernunft solches riethe, die Tradition erlaubte, und die Schrift gebote solche Ketzer zu verfolgen, zu vertilgen und zu verbrennen, wenn sie diese klaren Worte der Schrift, hoc eft Corpus meum, das ist mein Leib, leugnen wolten? Und Pflichten nicht die Protesianten diesem Blutvergiessen gleichfalls bei, die eben dasselbe behaupten, und jene darinnen starken, wenn sie andere verbrennen und ins Elend verweisen, da ihren Mitbrüdern aus eben der Ursache auf gleiche Weise mitgespielet wird? Ist nicht die Inful Groß-Brittannien und Irrland, ja die ganze Christen-Welt, ein lebendiges Exempel hiervon, als welche viele Jahre nach einander eine mit Blut besprißte Schaubühne gewesen, wo unzählige ihr Leben verloren, und ganze Geschlechter aufs äusserste vertilget und ins Verderben gebracht worden? Und bei allen diesen Gewaltthätigkeiten wurde keine andre Haupt-Ursache aufgezeigt, als daß es vermöge ausdrücklichen Gebots der Schrift geschahe. Wenn wir diese Handel mit denen zu Münjier vergleichen, so werden wir keinen großen Unterscheid finden. Denn beide Teile geben vor, sie waren dazu berufen, und es wäre ganz recht und billig, die Gottlosen umzubringen, zu verbrennen und auszurotten. Wir müssen, sprechen die Wiedertaufer, alle Gottlosen tódten, auf daß wir, die wir die Heiligen sind, das Erdreich besitzen mögen. Wir müssen, sprechen die Katholiken, die balsstarrigen Reger verbrennen, auf daß die Heil. Römische Kirche von allen faulen Gliedern gereinigt werden, und in Friede und (Einigkeit leben möge. Wir müssen, sprechen die Bischöflichen und Pralatischen Protestanten, die verführischen Separatisten und Sonderlinge, welche den frieden in der Kirche stöhren, und die himmlische Hierarcbie oder göttliche Ordnung, nebstden gotoseligen Gebräuchen bräuchen derselben, verwerfen, von uns hinaus tun. Wir müssen, sprechen die Calvinisten, Presbyterianer, diejenigen ruchlosen Bösewichter hinrichten, welche das Consistorialische und Presbyterianische Kirchen-Regiment der Weltesten verachten, und die Papistische und Prälatische Hierarchie zu behaupten suchen, wie auch die andern Sectirer und Rotten-Geister, die den Frieden unserer Kirche stöhren und zerrütten. Was deucht dich wohl, unpartheyischer Leser, und was vor einen Unterscheid siehest du doch zwischen diesen, ich bitte dich?
Wolte man einwenden, die Wiedertaufer wären ohne und wider der Obrigkeit, macht und Gewalt zu Werk gegangen, welches von den andern nicht gesagt werden könnte;
So möchte ich solches durch Anführung derjenigen Zeugnisse, welche diese Sekten selbst gegen einander gebraucht, gar leiditlich widerlegen. Das Betragen der Katholiken gegen Geinrich den dritten und vierten König von Frankreich; ihre Anfchlage wider Jacobum den sechstenim Pulver-Verrath (da sie König und Parlament auf einmal in die Luft zu sprengen vermeint) wie auch ihre Lehre von des Pabjis Gewalt, Könige, um der Kegcrey willen, abzusetzen, und deren Unterthanen ihres Eides zu erlassen, und solchen andern zu verleihen, beweisen solches fatisam wider sie.
Wie weit der Protestanten Verfahren von der obgedachten ihrem unterschieden ist, kann aus den vielen Zusammenschwörungen und Empörungen, die sie in Schottland und Engeland angestiftet, und nun über hundert Jahre her in verschiedenen Städten und Provinzen der Niederlande verübt, abgenommen werden. Haben sie nicht zum öftern nicht nur bei der Papististen Obrigkeit, sondern auch bei denen, welche zu reformiren oder die Missbrauche in der Kirche zu verbessern angefangen, und ihnen einige Freiheit gegeben hatten, ihre Religion auszuüben, oder ihres Gottesdienstes zu pflegeri, durch Bittschriften angesucht, und hinwiederum versprochen,denen Katholiken bei Pflegung des ihren auch nicht verhinderlich oder beschwerlich zu füllen? Aleine haben sie nicht dennoch das Gegenteil getan? Haben sie nicht, so bald als jie nur Gewalt überkommen, diese ihre Mit-Bürger beunruhigt und verfolgt, und sie zur Stadt hinaus gejagt, ja was noch árger ist, auch so gar solche, die nebst ihnen die Papstische Religion verlassen bätten? Haben sie nicht an vielen Ortn diese Geiraltthätigkeiten wider der Obrigkeit Wissen und Willen verübt? Haben sie nicht ihre Obrigácit, von welcher sie nur kurz vorher die freie Uebung ihrer Religion gibeten und erlangt, auf eine Evren-rúlrische Weise offentlich angegriffen? Und dieselbe, sobald sie sich ihrer geistliden Herrschaft widersetzt, dergestalt abgemahlet, als ob sie weder nach Gott noch dessen Dienst etwas frageten? Haben sie nicht an der Katholiken ihre sogenannten Kirchen gewaltsame Hände geleget, und solche, wider der Obrigkeie Witten, mit Ungcsiüm eingenommen? Haben sie nicist ganze Obrigkeitliche Versammlungen, unter dem Vorwand, daß sie dem Pabsitlum zugetan waren, ihrer Würðen und Aemter entfeket? Da sie doch nichts desto weniger diese Päbjiisde Obrigkeit nur kurz zuvor als eine folde erkannt, die von Gott verordnet sei, und welchersie, nicht nur aus Furcht, sondern um des Gewissens willen, Gehorsam zu leisten und unterthan zu sein verbunden waren. Ja, welcher noch dazu die Prediger und Vorsteber der reformirten Kirche selbst willige Treue gefdworen. Haben sie aber nicht hernach gesagt, das Volk sei verbunden, einen Gottlosen König zu Beobaditung des göttlichen Worts zu zwingen? Es finden sich noch viele andere Exempel von diesem Schlag in ihren Geschidyten, mancher noch viel schlimmeren Händel zu geschweigen, welche nur zu unserer Zeit vorgefallen und uns noch im frischen Gedächtniß sind, die ich aber, Weitläuftigkeit zu vermeiden, úbergehe.
Was soll ich von den Lutheranern sagen, deren aufrübrisdie Händel wider ihre Obrigkeit, die sich nicht zur Lutherischen Lehre bekennen, von vielen glaubwürdigen Geschichtschreibern bezeugt werden? Ich will aus vielen Beispieln nur eins anführen, und solches des Lesers Betrachtung anheim fiellen, welches sich 1615. zu Berlin zugetragen.
"Allwo die aufrührische Menge
der Lutherischen Bürger, weil sie durch das tägliche
Geschrey ihrer Prediger aufgewicgelt worden,
nicht nur der Reformirten Lehrer ihre Häuser mit
Gewalt erbrachen, ihre Bibliotheken zerstöhrten,
und ihr Haus-Geräthe verderbten; sondern sich auch
mit Schmach-Worten, ja so gar mit Steinen an des
Marggrafen von Brandenburg, des Churfürsten
Herrn Bruders, Person vergriffen, da er die Wuth
des tollen Pöbels Durch gute Worte zu stillen suchte.
Sie tödteten zehen Mann von seiner Leib-Wache,
und schonten ihn selbst kaum, der endlich noch durch
die Flucht aus ihren Händen entronne.
Welches alles sattsam zu erkennen gebietet, daß die Beypflichtung der Obrigkeit keineswegs ihre Grundsätze, sondern nur die Art ihres Verfahrens verändert. Daher id, meines Orts keinen Unterscheid zwischen den Händeln derer zu Münster febe, und zwischen dieser andern ihren, (darunter der eine vorgebietet, daß er durch den Geist, der andere durch die Tradition, Schrift und Vernunft geleitet werde,) ausser diesen, daß die erstern gar zu unbesonnen, halsstarrig und närrisch zugefahren, daher sie auch desto eher zu nichte, ja, zu Schande und Spott gemacht worden. Diese aber, weil sie verschlagener und kluger sind in ihrem Geschlechte, haben länger ausgehalten, und alle ihre Gottlosigkeit mit mehrerm Schein des Rechts und der Vernunft bestätigt. Da aber beider Betragen unrecht und böse gewesen, so scheint mir der Unterscheid zwischen ihnen nicht grösser zu sein, als derjenige, welcher sich zwischen einem bloßen einfältigen Dieb findet, der sich leicht erhaschen lasset, und zwischen einer Bande beherzter und kühner Räuber, die, weil sie besser auf ihrer Hut stehen, obschon ihr Verbrechen nicht geringer ist, dennoch ihre Obrigkeit mit Gewalt zwingen, gewisse ihnen anständige Bedingungen einzugeben, damit sie nur die Gefahr vermeiden mögen.
Aus welchem allen denn Sonnen-klar folgt, daß diejenigen sehr übel schließen, welche einen Grundsatzz deswegen veradyten und verwerfen, weil Leute, so da vorgeben, daß sie sich darnach richteten, Böses tun: Daferne es nicht die natürliche und notwendige Folge solches Grundsatzzes ist, daß sie zu solchen Dingen, die unrecht sind, verleitet.
Es folgt aus dem vorherbesagten auch noch ferner dieses, daß, wenn der Geist aus dieser Ursache zu verwerfen ist, auch alle diejenigen andern Grund-Süße aus gleicher Ursache zu verwerfen sein mußten. Und gleichwie ich meines Teils das herrliche Zeugnis der heiligen Schrift nicht um ein Haar breit geringer schätze·, noch auch weniger Hochachtung vor eine gründliche und der Wahrheit gemässe Tradition bege, und ebenso wenig die edle und fürtrefliche Gabe und Eigenschaft des Geühts, ich meyne die Vernunft, verachte, weil boßhafte Menschen derselben Namen, zu Bedeckung ihrer Gottlosigkeit und Berückung der Einfältigen, gemissbrauchet haben; deshalb wolte ich auch nicht gerne zugeben, daß jemand die Gewissheit deßjenigen unbetrüglichen Geistes, den Gott seinen Kindern gegeben hat, und der allein sie in alle Wahrheit leiten kan, deswegen verwerfen, oder in Zweifel ziehen soll, weil sich einige deren fálfchlich gerühmet und darauf berufen haben.