2.13
Bearbeitungsstand
Der gewöhnlichste Einwurfist, daß diese 1 Offenbarungen ungewiss wären. Allein, dieses giebt bei den Widersprechern eine große Unwissenheit zu erkennen. Denn wir maden einen Unterscheid zwischen der Theli und Hypothesi, der Proposition und Supposition, oder dem allgemeinen Sak, und einem eigenen besondern Lehr-Satz oder Grund. Denn ein anders ist, behaupten, daß die wahre und unzweifelbare Offenbarung des Geistes Gottes gewiss und unbetrüglich ist, und wieder ein anders, wenn man behauptet, daß diese oder jene besondere Person, dieses oder jenes besonderes Volk, in dem, was sie reden oder schreiben, auf eine unbetrügliche Weise durch diese Offenbarung geleitet werde, weil sie bekräftigen, daß sie dergestalt durch, die innerliche und unmittelbare Offenbarung des Geistes geleitet werden. Das erste wird nur von uns als gewiss behauptet, das lektere mag in Zweifel gezogen werden. Die Frage ist nicht, welche so gelcitet werden oder nicht geleitet werden? Sondern ob nicht alle so geleitet werden sollen, oder geleitet werden mögen?
Da wir nun albereits bewiesen haben, daß Christus 2 verheißen hat, daß sein Geist seine Kinder leiten soll, und daß ein jegliches von ihnen beides geleitet werden soll, und auch geleitet werden mag, so folgt hieraus nicht, wenn jemand von dieser wahren Leitung in der Tat abgebet, und doch mit Worten vorgebietet, davon geleitet zu werden, und zwar in Dingen die nicht gut sind, daß die Leitung des Geistes ungewiss sei, oder daß man derselben nicht folgen solle. Eben so wenig als folgen wird, daß die Sonne kein Licht von sich gebe, weil ein Blinder, oder einer der die Augen mit Willen zumacht, bei hellem Mittage aus Mangel des Lichts in eine Grube fället; oder, daß keine Worte geredet werden, weil sie ein Tauber nicht hört; oder daß ein Garten voller wohlriechenden Blumen keinen angenehmen Geruch von sich gäben, weil derjenige, der seinen Geruch verloren, solche nicht riechen kan. Der Fehler be steht alsdenn in dem Organo oder Werkzeug, und nicht in dem Objecto oder Gegenstande.
Alle diese Jrrungen sind demnach der Schwachheit oder vielmehr Bosheit der Menschen, nicht aber dem heiligen Geist zuzuschreiben. Diejenigen, so sich gegen dieses gewisse und unbetrügliche Zeugnis des Geistes am meisten auflehnen, pflegen insgemein das Exempel der alten Gnosticorum,3 und die neueren ungeheuren, und schädlichen Händel der Wiedertäufer zu Münster anzuführen. Alles dieses geht uns aber gar nichts an, benimmt auch unsrer wahren Lehre nicht das Allergeringste. Daher wurde, als ein sichres Bollwerk wider dergleichen Anfälle, dieses andere Stück unseres Satzes beigefügt, nämlich, daß, gleichwie diese göttlichen und innerlichen Offenbarungen, welche wir behaupten, und den wahren Glauben als unumgänglich darauf gründen, dem Zeugnis der Schrift oder gesunden Vernunft niemals widersprechen, deshalb solchen auch demselben niemals widersprechen können.
Nebst der innwendigen und unzweifelhaften Wahrheit 4: dieses Satcs können wir solches auch aus unserer gewissen und seligen Erfahrung kúlnlich bekräftigen. Denn dieser Geist hat und niemals betrogen, uns niemals zu etwas Unrechtes geleitet, oder bewegt, sondern er ist klar, und gewiss in seinen Offenbarungen, welche augenscheinlich von uns erkannt werden, weil wir auf das reine und unbefleckte Licht Gottes, (als das eigentliche und rechte Organon oder Werkzeug) in welchem sie empfangen werden, warten.
Wenn demnach einige auf diese Art vernünfteln:
Weil einige böse, Gottlose, teuflische Menschen leichtfertige Händel angestiftet, und auf eine noch ruchlosere Weise vorgegeben haben, daß sie von dem Geist Gottes zu dergleichen Unfug verleitet worden;
So solle sich niemand auf den Geist Gottes verlassen, denselben suchen, oder auf ihn warten, um vou ihm geleitet żu werden.
Ich leugne die Folge dieses Satzes gänzlich. Wenn 5 solche vor wahr anzunehmen wäre, so würde aller Glauben an Gott, und alle Hoffnung der Seligkeit ungewiss, und die Christliche Religion in einen bloßen Scepticismum oder Zweifel-Geist verwandelt werden. Denn auf eben diese Weise könnte ich deshalb schiessen:
Weil Eva durch die Lüge der Schlangen betrogen worden;
So hätte sie nicht auf die Verheisjung Gottes trauen sollen.
Weil die alte Welt durch die bösen Geister bethört worden;
So hätte weder Noaby, noch Abraham, nod Moses dem Geist des Herrn glauben sollen.
Weil ein Lügen-Geist durch die vier hundert Propheten redete, die den Ahab überredeten, binauf zu gehen, und zu Ramoth Gilead, zu streiten;
So war das Zeugnis des wahren Geistes in dem Micajah ungewiss, und gefährlich demselben zu folgen.
Weil sich verführische Geister in die erste Kirche eingeschlichen hatten;
So war es nicht sicher, oder zum wenigsien ungewiss, der Salbung zu folgen, welche alles lehrete, und welche Wahrheit ist, und keine Lügen. Wer darf sagen, daß dieses eine notwendige Folge sei? Über dieses wird hierdurch nicht nur der Glaube aller Heiligen und der ersten Kirchen ungewiss geinacht, sondern es wird auch der Glaube aller heutigen Christen dergleichen Gefahr und Zweifelhaftigkeit unterworfen, ja, auchderer selbst, die ihren Glauben aus einem andern Grund als dem Geist herzuleiten suchen. Denn ich will durch einen unumstößlichen Schluß, ab incommodo, oder wegen der Ungelegenheit, so es nach sich ziehen würde, dartun, daß, wenn man hierinnen dem Geistnicht zu folgen hat, und die Menschen sich nicht auf ihn als ihren Leiter und Führer verlassen mögen, weil einige, die sich auf denselben berufen, oder sich dessen rühmen, allerhand Unfug anrichten, fodann weder Tradition, weder Schrift noch Vernunft, welche die Katholiken, die Protestanten und Socinianer zur Richtschnur ihres Glaubens maden, um ein Haar breiter gewiss sein können. Die Römisch-Catholischen 6 halten es vor einen Irrtum, das Oster-Fest auf eine andere Weise, als ihre Kirche pflegt, zu Feiren. Dieses kann durch sonst nichts als die Tradition entschieden werden. Und dennoch hält die Griechische Kirche, die sich doch gleicher gestalt auf die von den alten auf die neueren Zeiten in der Kirche fortgepflanzte Nachrichten und Satzungen beruft, ihre Ostern auf andere Weise. Ja, so wenig ist die Tradition in diesem Fall, 7 vermögend den Streit zu schlidten, daß Polycarpus, des Johannis Jünger, und Anicetus, der Bischof zu Rom, welcher deshalbbald auf die gefolgt, nach deren Beispiel der Streit entfdjieden werden sollte, (wie sie beiderseits beschlossen) sich nicht mit einander darüber vergleichen konnten. Hier hat notwendig einer irren müssen, und zwar darum, weil er den fortgepflanzten Satzungen der Alten gefolgt. Würden nun wohl die Katholiken mit uns zufrieden sein, wenn wir bekräftigen wolten, daß man auf die Tradition weder Acht haben, noch dieselbe in Betracytung ziehen dürfte. Über dieses würde sich eben diese Schwierigkeit bei einer Sache von weit grösserer Wichtigkeit hervortun, nämlich bei der Würde des Bischofs zu Rom, als des Haupts der Kirche. Denn viele behaupten, und zwar aus denen in der Kirchen von Zeit zu Zeit fortgepflanzten Satzungen und Urkunden, daß sich die Römischen Bischöfe, in den ersten sechs hundert Jahren, des Titels eines allgemeinen Hirten niemals angemaßt, auch, niemals vor solche allgemeine Hirten erkannt worden. Ja, was noc inehr ist, und diese obere Bischöfliche Vorzugs-Gerechtigkeit gar über den Haufen wirft, finden sich einige, die kein Bedenken tragen, (und zwar auch aus den Satzungen der Alten) dazutun, daß Petrus Rom niemals gesehen babe; und folglich der Bischof zu Rom auch sein Nachfolger nicht sein könne. Würdet ihr Römisch-Gesinnten denn nun dieses vor richtige Vernunfts-Schlüsse halten, wenn man, wie ihr es macht, vorgeben wolte:
Viele sind betrogen worden, und haben gröblich geirrt, die sich auf die Tradition oder Menschen-Sakungen verlassen;
Deshalb sollen wir alle Tradition und Menschen-Sagungen, ja auch diejenigen, durch welche wir das Gegenteil zu besiárfen und die Walrbeit zu beweisen vermeinen, verwerfen.
Und auf dem Concilio oder der geistlichen Versammlung 8 zu Florenz zankten sich die vornchinjten Lehrer der Römischen und Griechischen Kirche, während ganzer Zusammenkünfte, über die Auslegung eines einzigen Spruchs des Concilii zu Ephefus, und des Epiphanii und Basilii mit einander, und konnten sich doch nicht darüber vergleichen.
Zum zweiten ent steht, in Ansehung der Schrift, eben dieselbe Schwierigkeit. Die Lutheraner behaupten die Confubftantiation, oder daß das Brod und der Wein nach der Confecration, oder Segnung und Sprechung der Worte der Einsezung, zwar der wahre Leib und das wahre Blut Christi sei, aber doch auch zugleich dabei, dem Wesen nach, wahrhaftig Brod und Wein wären, aus der Schrift; welches die Calvinisten verneinen, und nach eben dieser Schrift vor einen groben Irrthum erklären. Wiederum vertheidigen die Calvinisten eine absolute Prædestination oder unumgängliche Vorherbestimmung zum ewigen Leben, oder zur ewigen Verdammnis, oder daß der größte Teil der Menschen verworfen werde; welches die Arminianer leugnen und das Gegenteil bekräftigen. Da doch beide Teile versichern, daß sie sich hierinnen die Schrift und Vernunft zur Richtschnur gefeget hätten. Wenn ich nun gegen die Calvinisten deshalb schließen wolte:
Hier irren die Lutheraner und Arminianer gröblich, daß sie der Schrift folgen;
Deshalb ist die Schrift keine sichere und gewisse Regel oder Richtschnur; und eben wiederum deshalb auf der andern Seite.
Würde auch wohl ein einziger Teil von ihnen allen dieses vor eine richtige und gehörige Art zu schließen annehmen? Was fol ich doch von den Bischöflichen, von den Presbyterianern, den Independenten und Wiedertaufern in Groß-Brittannien sagen, die einander unaufhörlich mit der Schrift bombardiren? Gegen welche man eben diesen Schluß anführen könnte, ungeachtet sie dieselben alle einhellig vor die Richtschnur erkennen.
Was drittens die menschliche Vernunft anlangt, 9 ist nicht nötig viel Worte davon zu machen. Denn wo kommen alle die Streitigkeiten, Sänkereyen und Foder-Kriege 10 in der Welt anders her, als weil ein jeglicher meyne er folge der gefunden Vernunft. Daher entstanden ehemals die Mißhelligkeiten zwischen den Stoicis, Platonicis, Peripateticis, Pythagoræern und Cynicis, und in den neueren Zeiten zwischen den Aristotelicis, Carthesianern und andern Naturalisten. Sollte nun daher folgen oder geschlossen werden können, oder werden die großen Meister der Vernunft, die Socinianer, vor genehmn halten, wenn wir deshalb schließen: Weil viele und zwar auch sehr kluge Leute geirrt, da sie ihrer Vernunft gefolgt, und zwar ungeachtet aller Sorgfalt und alles Fleisses, so fic, die Wahrheit zu erforschen, angewandt haben, so soll sich derselben gar kein Mensch gebrauchen, noch auch ausdrücklich behaupten, was er gewiss weiß und vor vernünftig erkennt? Und so viel von demjenigen, was diese Meinungen anlanger. Eben so große Ungewissheit findet sich bei diesen andern Grund-Säzen.
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Einwurf. Antwort. ↩︎
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Die Gewissheit der Leitung des Geistes wird bewiesen. ↩︎
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Gnosticorum=Gnostiker ↩︎
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Durch die Erfahrung. ↩︎
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Wie ungereimt die Folge sei. ↩︎
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- Exempl der Tradition.
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Euseb. Hift. Ecclef. lib S. c. 26 ↩︎
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Conc. Flor. Seff. 5. decreto quodam Conc. Eph. act. 6. Seff. 11. & 12. Conc. Flor. Seff. 18.20. Concil. Flor. Seff. 21. p. 480. feqq. ↩︎
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- Der Vernunft.
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Die Streitigkeiten so zwischen den alten und neueren Philosopen daher entstehen. ↩︎