Apologie von Robert Barclay in der Übersetzung von 1776

2.11

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Es finden sich aber einige, die da zugestehen, 1 Einwurf. daß der Geist die Heiligen noch heut zu Tage leiste und erleuchte, es geschehe aber solches nur subjective auf eine unterwürfige oder blinde Weise, durch Erleuchtung ihres Verstandes, oge sie die in der Schrift aufgezeichneten Wahrheiten verstehen und glauben, keineswegs aber deshalb, daß er diese Wahrheiten dem Gemüch als einen Gegenstand vorstelle, und dieses nennen sie medium incognitum affentiendi, als dessen Wirkung ein Mensch weder empfinden, noch deren gewiss seiu kan.

Obschon diese Meinung noch etwas erträglicher ist, 2 als die vorige, foist sie dennody der Wahrheit nicht allerdings gemaß, erreicher auch derselben Fülle nicht gänzlich.

I. Weib es viel Wahrheiten gebietet, welche, gleichwie 3 sie sich nur auf besondere Personen deuten lassen, und von ihnen notwendig erkannt werden müssen, keineswegs in der Schrift zu finden sind, wie in dem folgenden Satz gezeigt werden soll.

Über dieses, so beweisen die bereits angeführten Gründe, daß uns der Geist nicht nur subjective, oder auf eine ihm unterwürfige Weise die anderswo vorgetragenen Wahrheiten erkennen: lerne, sondern solche Wahrheiten auch objective, oder auf eine gegenständige Art, unserm Gemütle vorstelle. Denn derjenige, der mich alles lehrt, und mir zu diesem Ende gegeben ist, der stellt fonder Zweifel auch alles dasjenige meinein Gemüt vor, was er mich lehrt. Es steht nicht, er wird euch lehren, wie ihr dasjenige verstehen sollet, so da geschrieben ist. Sondern es heisst: Er wird euch alles lehren. Ferner: Was mich aller Dinge erinnert, muß solche notwendig als einen Gegenstand vorstellen, sonst kómte ich eigentlich nicht sagen, daß es mich deren erinnere; sondern nur, daß es mir behülflich wäre, mich der Gegenstände zu erinnern, die mir anderswo her beigebracht worden.

Mein anderer Beweit soll von der Eigenschaft des 4 neuen Bundes hergenominen sein, wodurch ich als durch den folgenden beweisen will, daß wir baydes immediate und objective, unmittelbar, und auf eine gegenständige Weise durch den Geist geleitet werden. Die Eigenschaft des neuen Bundes wird an verschiedenen Ortn ausgedrückt.

Und zwar zu erst Esaia 59,21. Und ich mache 5 solchen Bund mit ihnen, spricht der Herr; mein Geist, der bei dir ist, und meine Worte, die ich in deinen Mund geleget babe, sollen von deinem Mund nicht weichen, noch von dem Munde des Samens deines Samelis, spricht der Herr, von nun an bis in Ewigkeit. Durch die lezten 6 Worte dieses Spruchs wird die Beständigkeit und Beharrliclyfcit seiner Verheissung fattfam ausgedrüket. Er wird nicht weichen, spricht der Herr, von nun an bis in Ewigkeit. Und in den vorhergehenden Worten ist die Verheissung selbst enthalten, nämlich der Geist Gottes, der bei ihnen ist, und das Wort Gottes, das er ihnen in den Mund geleget hat.

zu erst geschahe dieses unmittelbarer Weise, denn 7 es wird seines Mittels Meldung getan; er spricht nicht, er soll, vermittelsi folder und solcher Schriften oder Bücher, solche und soldie Worte an euren Mund leiten; sondern Ích, fpricht der Herr, Ich felbft, will meine Worte in euren Mund legen.

Zum zweiteni, muß dieses auf eine gegenständige 8 Weise geschehen,denn die in ihren Mund gelegten Worte sind der Gegenitand, der von ihm vorgestellt wird. Er spricht nicht: Wenn ihr die Worte werdet geschrieben fehen, so soll euch mein Geist nur den Verstand erleuchten, daß ihr denselben Beyfal gebet; sondern er spricht ausdrücklich: Meine Worte, die Ich in deinen Mund geleget habe, etc. Woraus ich diesen Schluß abfasse:

Auf wem der Geist allezeit bleibt,und ihm die Worte in seinen Mund leget, den lehrer der Geist auf eine unmittelbare, auf eine gegenständige und auf eine beständige Weise.

Nun ist aber der Geist allezeit auf dem Samen der Gerechten, und leget die Worte in ihren Mund, und weicher auch nicht von ihnen.

Deswegen lehrt der Geist die Gerechten auf eine unmittelbare, gegenstandige und beständige Weise.

Zum andern wird die Eigenschaft des neuen Bundes 9 noch deutlicher ausgedrückt, Gerem. 31,33. welhes von dem Apostel Hebr. 8, 10.11. in diesen Worten wiederholet, und nochmals behauptet wird: Denn das soll der Bund sein, den ich init dem Laufe Israel machen will, nach dieser šeit, spricht der Herr. Ich will mein Gesetz in ihr Herzgeben, und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, so will ich ihr Gott sein, und wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen, erkenne den Herrn, sondern sie sollen mich alle kennen, beide klein und groß, spricht der Herr.

Das Object oder der Gegenstand ist hier Gottes Gesetz, das ins Herz gegeben, und in das Gemüt geschrieben ist, weßmegen sie Gottes Volk sind, und zu seiner wahren Erkenntnis gebracht werden.

In diesem ist demnach das Gesetz vom Evangelio 10 unterschieden: Das Gefek war vormals auswendig auf steinerne Tafeln geschrieben; nun aber ist es innwendig in das Herz geschrieben. Im alten Testament verließ sich das Volk wegen der Erkenntnis Gottes auf ihre Priester; aunmehro aber haben sie alle eine gewisse und empfindliche Erkenntnis von ihm; davon Augustinus sehr wohl redet in seinem Buch de litera & spiriru, von welchem Aquinas qu allererst Gelegenheit genommen zu haben scheint, diese Frage aufzuwerfen: Ob das neue Gesetz ein geschriebenes Gesez oder ein eingepflanztes Geles sei? Lex scripta vel Lex indita? Welche er deshalb entscheidet, daß das neue Gereß oder Evangelium eigentlich kein geschriebenes Geset sei, wie das alte, sondern Lex indica: ein eingepflanztes Gesetz; und daß das alte Gesetz auswendig geschrieben gewesen, das neue Gesetz aber innwendig auf die Tafel des Herzens geschrieben sei.

Wie gröblich verstossen sich demnach diejenigen, welche an statt dessen, daß sie das Evangelium dem Gesetz vorziehen sollten, den Zustand derer, die unter dem Evangelio sind, weit schlimmer gemacht haben? Denn 11 sonder Zweifel ist es etwas weit fürtreflichers und erwünschters, auf eine unmittelbare Weise mit Gott umzugehen, als nur auf eine mittelbare Weise; weil es eine weit höhere und herrlichere Ordnung ist. Und dennoch erkennen diese Leute, daß viele unter dem Gesetz einen unmittelbaren Umgang mit Gott gepflogen, da sie doch mit großem Geschrei behaupten, es habe solches jezt aufgehört.

Ferner war unter dem Gesetz das Allerheiligste, in welches der Hohepriester eingieng, und das Wort des Herrn auf eine unmittelbare Weise zwischen den Cherubinen empfieng, so, daß das Volf alsdenn den Willen Gottes gewiss wissen konnte. Jießt aber sind wir, dieser Leute Urteil nach, in einem weit schlimmeren Zustand, weil wir nichts als nur den äußerlichen Buchstaben der Schrift haben, nach welchem wir uns richten, und darnach weissagen müssen. Dadoch kaum ihrer zweie gefunden werden, die wegen eines einzigen Verses derfelben recht eins werden können. Allein Jesus Christus hat und etwas bessers verheißen, (obschon viele so thôricht sind, daß sie ihm nicht glauben) daß er uns nämlich durch seinen eigenen unfehlbaren Geist regieren wolle; und hat die Decke zerrissen und hinweg getan, wodurch nicht nur einer, und zwar des Jahrs nur einmal, hinein gehen mag; sondern wir haben alle, und zu allen Zeiten Zutritt zu ihm, so oft wir uns ihm mit reinem Herzen nahen. Er offenbart uns seinen Willen durch seinen Geist, und schreibt sein Gesetz in unsere Hérjen. Nacidein dieses deshalb voraus gesezet worden, so schliesse ich folgender Gestalt:

Wo das Gefen Gottes in das Herz gegeben und in den Sinn geschrieben wird, da ist der Gegenstand des Glaubens und der Offenbarung der Erkenntnis Gottes, innerlich, unmittelbar und gegenständig.

Nun ist aber unter dem neuen Bund einem jedweden wahren Christen das Geset Gottes ins Herz gegeben, und in den Sinn geschrieben;

Deshalb ist der Gegenstand des Glaubens und der Offenbarung der Erkenntnis Gottes bei einem jedweden wahren Christen innerlich, unmittelbar und gegenständig.

Was von dem vorhergehenden angenommen wird, sind die ausdrücklichen Worte der Schrift. Dashalb12 muß der Satz notwendig auch wahr sein. Dasjenige, welches in das Herz gegeben, und in den Sinn geschrieben wird, müßte denn entweder nicht innerlich, noch auch unmittelbar oder gegenständig sein; welches höchst ungereimt ist.


  1. Einwurf. ↩︎

  2. Antwort. ↩︎

  3. Der I. Hauptschluss. ↩︎

  4. Der II. Hauptschluß. ↩︎

  5. Beweis I. ↩︎

  6. Die Leitung des Geistes. ↩︎

  7. Unleserliche Randnotize. ↩︎

  8. Objrctiv. ↩︎

  9. Beweis II. ↩︎

  10. Der Unterscheid zwischen dem äußerlichen und innerlichen Gesetz. ↩︎

  11. Die Ordnung des Heils unter dem Evangelio ist viel herrlicher als unter dem Gesetz. ↩︎

  12. Im Original wird das Frühneuhochdeutsche Wort “Deshalb” verwendet. ↩︎