2.3
Bearbeitungsstand
Daß diese gewisse und unzweifelbare Lehrart von der wahren Erkenntnis Gottes abgebracht worden, ist kein geringer Kunstgriff des Teufels gewesen, das menschliche Geschlecht sich und seinem Reich unterwürfig zu machen. Denn nachdem das Licht des Evangelium und die Vortrefflichkeit der Christlichen Religion sich über einen guten Teil der Welt ausgebreitet, und die dicken Nebel der heidnischen Lehre von der Vielheit der Götter zertrieben hatte, so bließ die höllische Schlange, als sie sah, es sei keine Wahrscheinlichkeit mehr, die Welt auf solche Art länger zu betören, dem Menschen eine falsche Erkenntnis des wahren Gottes ein, daß er sich angelegen sein ließ, Gott auf eine unrechte Weise zu suchen, und überredete ihn, daß er mit einer solchen Erkenntnis zufrieden sein möchte, die er aus eigenem Wirken erlangt, und die ihm nicht von Gott gelehrt worden. Und dieser listige Anschlag ist ihm desto glücklicher gelungen, weil er nach der natürlichen und verderbten Gemütsart des Menschen eingerichtet ist, welcher nach nichts so sehr strebt, als sich selbst zu erheben und groß zu machen. Gleichwie aber Gott durch diese seine Selbsterhöhung höchstens verunehrt wird; deshalb hat der Teufel seinen Endzweck hierinnen erhalten. Dieser bekümmert sich nicht so sehr darum, wie sehr Gott mit Worten erkannt werde, dafern ihm nur in der Tat selbst gedient wird. Es liegt ihm wenig dran, was vor große und hohe Betrachtungen der natürliche Mensch von Gott hegt, solange er nur seinen Lüsten und Begierden folgt, und seinen bösen Eingebungen und Versuchungen Gehorsam leistet. Solchergestalt ist das Christentum zu einer Kunst worden, so wie eine jedwede andere Profession oder Wissenschaft durch menschliches Nachsinnen und Fleiß erlangt wird; und die Menschen haben sich nicht nur des Namens der Christen angemaßt, sondern es auch durch gewisse künstliche Praktiken dahin gebracht, daß man sie für Meister des Christentums hält, da sie doch von dem Geist und Leben Jesu gänzlich entfremdet sind. Wenn wir aber die Beschreibung eines Christen recht nach der Schrift einrichten wollen, daß nämlich ein Christ ein solcher ist, der den Geist hat, und von demselben getrieben wird, wie vielen Christen, ja auch solchen deshalb geachteten großen Meistern und Lehrern des Christentums, werden wir diesen herrlichen Titel absprechen müssen?
Wann dann nun solche, die alle andere Mittel der Erkenntnis haben, und mehr als zu gelehrt darinnen sind, es sei nun der Buchstabe der Schrift, oder die alten Menschen gemachten Regeln der Kirchen, oder die Werke der Schöpfung und göttlichen Vorsehung, woraus sie starke und unleugbare Beweise (die auch wohl an sich selbst wahrsein mögen) heraus ziehen können, nach der obbemeldten gewissen und unfehlbaren Beschreibung der Schrift, noch für keine Christen zu achten sind: und wenn die innerliche und unmittelbare Offenbarung des Geistes Gottes in dem Herzen, in solchen, die in einigen von diesen Mitteln, die Erkenntnis zu erlangen, ganz unwissend, und in andern sehr wenig beschlagen gewesen, sie dennoch zur Seligkeit gebracht hat; so wird notwendig und unwidersprechlich folgen, daß die innerliche und unmittelbare Offenbarung der einzige sichere und gewisse Weg sei, zur wahren und seligmachenden Erkenntnis Gottes zu gelangt.
Nun ist aber das erste wahr; derobalben muß auch das lezte wahr sein.
Gleichwie nun dieser Beweis diesen Weg der Erkenntnis sehr nachdrücklich behauptet, und denenjenigen, die solchen leugnen, gänzlich zuwider ist; deshalb erlangt er dadurch ein desto grösseres Gewicht; weil die Säze, aus welchen er heraus gezogen ist, so klar sind, daß sie unsere Widersacher selbst nicht leugnen können. Denn was das ersie anbelangt, so wird zugestanden, daß viele gelehrte Leute verdammt werden mögen, und verdammt worden sein. Und wer will bei dem zweiten Punk leugnen, daß viele ungelehrte Leute selig werden mögen, und selig worden sind? So darf sich auch niemand unterstehen, dieses zu bekräftigen, als ob niemand durch, die innerliche Offenburung des Geistes, ohne diese andern äußerlichen Mittel, zur Erkenntnis Gottes und der Seligkeit gelangte, wenn sie nicht auch so dreiste sein wollen, Abel, Seth, Noah, Abraham, Hiob, und alle heiligen Erz-Väter von der wahren Erkenntnis und Seligkeit auszuschließen.