2.2
Bearbeitungsstand
Dieweil ich mir nun vorgenommen habe, dasjenige, was die wahre und wirkliche Erkenntnis betrifft, welche das ewige Leben mit sich führt in diesen Sätzen dazutun, so habe ich, und zwar mit Wahrheit, behauptet, daß diese Erkenntnis auf keine andere Weise erlangt wird, und das niemand einigen wahren Grund zu glauben habe, daß er solche erlangt habe, der ihn nicht durch die Offenbarung des Geistes Gottes besitzt.
Die Gewissheit dieser Wahrheit ist so unwidersprechlich, daß sie von den allerverständigsten und berühmtesten Bekennern der Christlichen Religion zu aller Zeiten zugestanden worden. Denn weil dieselben aufrichtigen Herzens gewesen, und den Herrn mit Ernst gesucht haben, (ob sie schon unter den Nachteilen und allgemeinen Irrtümern ihrer unterschiedenen Sekten und Zeiten gestanden,) so ist doch der wahre Samen in ihnen von der Liebe Gottes, der auf das Gute gesehen, und seine Auserwählten unter allen hat, erhört worden. Denn da sie einen Ekel und Missfallen an allen andern äußerlichen Mitteln, ja auch an den Grundsätzen und Vorschriften selbst, die sich auf ihre eigenen Zeremonien und Sekten bezogen, gefunden, so haben sie endlich einhellig geschlossen, es sei keine wahre Erkenntnis Gottes ausser derjenigen, die durch seinen Geist innerlich offenbart wird, davon man diese folgende Zeugnisse der Alten zu vernehmen hat.
1.
Es ist der innerliche Meister (spricht Augustinus,) der da lehrt, es ist Christus, der lehrt, es ist Eingebung, die da lehrt. Wo diese Eingebung und Salbung mangelt, so ist umsonst, daß Worte von außen eingebläut werden. Denn wenn derjenige, so uns geschaffen, erlöst, und durch den Glauben berufen hat, und durch seinen Geist in uns wohnt, (fährt er ferner fort) nicht inwendig in uns redet, so ist es unnötig, daß wir rufen und schreien.
2.
Und Clemens Alexandrinus 1 spricht: Es ist ein Unterscheid zwischen demjenigen, was einer von der Wahrheit sagt, und zwischen demjenigen, was die sich selbst erklärende Wahrheit selbst sagt, eine Mutmaßung von der Wahrheit ist von der Wahrheit selbst unterschieden, das Gleichnis eines Dinges ist von dem Dinge selbst unterschieden. Ein anders ist dasjenige, was durch Übung und Zucht erlangt wird, und wieder ein anders, was durch Kraft und Glauben erlangt wird, denn die Lehre der Gottseligkeit ist eine Gabe, der Glaube aber eine Gnade.
Eben dieser Clemens spricht ferner:
Es ist weder schwer die Wahrheit zu erlangen, noch auch unmöglich, dieselbe zu begreifen. Denn sie ist ganz nahe bei uns, auch in unsern Häusern, wie der erleuchtete Moses zu erkennen gebietet.
3.
Tertullianus 2 spricht,
…wie es käme, daß, da der Teufel niemals müßig ist, und das Gemüt zur Bosheit anreizt, Gottes Werk entweder aufhören und sich geschäftig zu erweisen nachlassen sollte? Da der Herr den Tröster zu diesem Ende gesandt hat, daß, weil die menschliche Schwachheit nicht alles auf einmal tragen konnte, die Erkenntnis durch den heiligen Geist, als des Herrn Statthalter, und nach und nach unterwiesen, formiert und zur Vollkommenheit gebracht würde. Ich habe euch, spricht Er, noch viel zu sagen, ihr könnt es aber jetzt nicht tragen. Wenn aber der Geist der Wahrheit kommen wird, so wird er euch in alle Wahrheit leiten, und euch verkündigen was noch zukünftig ist. Von diesem reinem Werk aber haben wir schon vorher gehandelt. Was ist denn nun die Verwaltung des Trösters anders, als daß die Zucht angeswiesen, die Schrift geoffenbart, der Verstand verändert und alles verbessert werde.
4.
Das Gesetz, spricht Hieronymus 3, ist geistlich, und man hat einer Offenbarung nötig, solches zu verstehen
Und in seinein 150. Brief an die Hedibia, Quæst. II. schreibt er:
Die ganze Epistel an die Römer bedarf einer Auslegung, weil sie in so große Dunkelheit verwickelt ist, daß wir, dieselbe zu verstehen, der Hilfe des heiligen Geistes nötig haben, der solche dein Apostel in die Feder diktiert hat.
5.
Athanasius 4 redet hiervon deshalb:
Solche große Dinge tut unser Herland täglich. Er treibt zur Gottseligkeit an, er überredet zur Tugend, er lehrt Unsterblichkeit, er erweckt zum Verlangen nach himmlischen Dingen, er offenbart die Erkenntnis des Vaters, er flößt Kraft gegen den Tod ein, und gebietet sich einem jeden zu erkennen.
6.
Gregorius Magnus 5 gedenkt dessen über die Worte:
Der wird euch alles lehren, auf folgende Weise: “Wo ferne nicht derselbe Geist in des Zuhörers Herzen wohnt, so ist die Predigt des Lehrers vergeblich. Niemand schreibe demnach dem Menschen zu, was er aus dem Mund dessen, der da redet, vernimmt. Denn wo derjenige, so da lehrt, nicht inwendig ist, so arbeitet die Zunge des Lehrers von außen umsonst.
7.
Cyrillus Alexandrinus 6 bekräftigt deutlich, daß
die Menschen durch den heiligen Geist auf keine anderer Weise erkennen, daß Jesus Christus der Herr sei, als derjenige, der Honig kostet, vermöge dessen natürlichen Eigenschaft weiß, daß es süße ist. Daher vermahmen wir euch, täglich, lieben Brüder, sind Bernhardi Worte, daß ihr die Wege des Herzens wandelt, und eure Seelen allezeit in euren Händen tragt, auf daß ihr vernehmen möget, was der Herr in euch redet. Und über des Apostels Worte, wer sich rühmen will, der rühme sich des Herren, sagt er: Mit welchem dreifachen Laster alle Arten der Kloster-Leute mehr oder weniger gefährlich angesteckt sind. Weil sie mit den Ohren des Herzens nicht so fleißig auf dasjenige merken, was der Geist der Wahrheit, der nicht schmeichelt, in ihnen redet.
Dieses war eben die rechte Grundsetze, worauf die ersten Reformatores baueten.
Luther, 7 in seinem Büchlein an den Adel in Deutschland, schireibt:
Dieses ist gewiss, daß sich niemand selbst zu einem Lehrer der heiligen Schrift machen kan; sondern der heilige Geist allein muß es tun.
Und über den Lobgesang der heiligen Jungfrau Maria lässet er sich vernehmen:
Niemand kann Gott recht erkennen, oder das Wort Gottes recht verstehen, der solches nicht unmittelbar von dem Heil. Geist empfangen hat. So kann es auch keiner von dem Heil. Geist empfangen, wenn er es nicht durch, die Erfahrung in sich selbst empfindet; und in dieser Erfahrung lehrt der heilige Geist, als in seiner eigenen Schule, ausser welcher weiter nichts als ein bloßes Geschwätz gelehrt wird.
Philipp Melanchthon 8, in seinen Anmerkungen über das 6. Kap. Johannis, schreibt:
Wer nur eine äußerliche und leibliche Stimme hört, der hört das Geschöpf. Gott aber ist ein Geist, und wird weder gesehen, noch erkannt und geboren, als durch den Geist. Die Stimme Gottes demnach hören, und Gott sehen, heißt den Geist kennen und hören. Durch den Geist allein wird Gott erkannt und empfunden.
Welches auch diejenigen, denen ihr Christentum ein Ernst ist, nämlich alle solche, die sich an dem äußerlichen Wesen der Religion nicht begnügen lassen, und sich deren nicht als eines Deckels oder Kunstgriffs bedienen, bis auf den heutigen Tag erkennen. Ja, alle diejenigen, die ihr Christentum in der Tat zu beweisen suchen, und nicht eher ruhen können, als bis sie dessen kräftige Wirkung an ihrem Herzen spüren, die sie von Sünden erlöst; diese empfinden wahrhaftig, daß zu dessen Herfürbringung keine Wissenschaft kräftig genug sei, als diejenige, welche von dem feurigen Einfluss des Geistes Gottes in ihr Herz, und von dem erfreulichen Schein seines ihren Verstand erleuchtenden Lichts hervor gebracht wird.
Hiervon hat unlängst ein neuer Scribent, nämlich der Doctor Smith zu Cambridge 9, in seinen auserlesenen Reden (von den Mitteln, wodurch man zur wahren Erkenntnis Gottes gelangen kan) sehr wohl geredet, wenn er unter andern also schreibt:
Unsere Gottesgelahrtheit nur bloß in Büchern und Schriften suchen wollen, heißt den Lebendigen bei den Todten suchen. Wir suchen Gott in diesen gar vielmals nur vergeblich, allwo seine Wahrheit öfters nicht so wohl eingeschlossen als vergraben ist. Intra te quære Deum. Suche Gott in deiner eigenen Seele. Er wird (nach des Plotinus 10 Ausdruck) am besten XXXX XXXX 11 durch eine Berührung des Verstandes, erkannt. Wir müssen das Wort des Lebens mit unsern Augen sehen, mit unsern Ohren hören, und mit unsern Händen betasten, (daß ich mich S. Johannis Worte bediene) XXXXX 12. Die Seele selbst hat ihre Sinnen sowohl als der Leib. Daher denn auch David, wenn er uns lehren will, worin die göttliche Gütigkeit be steht, sich nicht auf nachdenkliche Erfindung, sondern auf die Empfindung beruft, wenn er sagt: Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist. Diejenige ist nicht die beste und wahreste Erkenntnis Gottes, welche durch Arbeit und Schweiß des Gehirns erlangt wird, sondern diejenige, so sich durch eine himmlische und heilige Brunst in unsern Herzen entzündet.
Und wiederum an einem andern Ort schreiber dieser Englische Lehrer:
Es ist eine Erkenntnis der Wahrheit, wie sie in Jesus ist, wie sie in einer Christo gleichen Natur ist; wie sie in dem sanften, milden und demütigen Geist Jesus ist, welche sich, wie die Morgensonne, über die Seelen der Frommen, voller Licht und Leben ausbreitet. Es nützt wenig, Christus selbst nur nach dem Fleisch zu kennen; sondern er schenkt Gottseligen Herzen seinen Geist, der die Tiefe der Gottheit erforscht.
Er fährt ferner fort:
Es ist eine gar magere und leere Erkenntnis, die nur durch bloßes Spekuliren erlangt, und durch Vernunftschlüsse und Beweisführung eingebläut wird. Diejenige aber, so aus der wahren Gütigkeit entspringt, ist (wie Origenes 13 redet) XXX XXX 14. Sie erfüllt das Gemüt mit einem solchen göttlichen Licht, welches viel klarer und überzeugender ist, als alle Beweisführung, so aus, der Vernunft-Kunst hergeholt werden.
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Clemens von Alexandria (* um 150 vielleicht in Athen; † um 215 vielleicht in Kappadokien) Siehe Wikipedia ↩︎
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Quintus Septimius Florens Tertullianus oder kurz Tertullian (* nach 150 in Karthago (heute in Tunesien); † nach 220) Siehe Wikipedia ↩︎
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Sophronius Eusebius Hieronymus (geboren 347 in Stridon, Dalmatia; gestorben am 30. September 420[1] in Bethlehem, Syria Palaestina) Siehe Wikipedia ↩︎
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Athanasius der Große (auch Athanasius von Alexandria, griechisch Ἀϑανάσιος Athanásios ‚der Unsterbliche‘; * um 300 in Alexandria; † 2. Mai 373 ebenda) Siehe Wikipedia ↩︎
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Gregor der Große (Gregorius, als Papst Gregor I.; * um 540 in Rom; † 12. März 604 ebenda) Siehe Wikipedia ↩︎
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Kyrill I. (auch Kyrillos oder Cyrill(us); * um 375/80 in Alexandria; † 27. Juni 444 ebenda) Siehe Wikipedia ↩︎
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Martin Luther (* 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; † 18. Februar 1546 ebenda) ↩︎
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Philipp Melanchthon (eigentlich Philipp Schwartzerdt; * 16. Februar 1497 in Bretten; † 19. April 1560 in Wittenberg) war neben Martin Luther der wichtigste kirchenpolitische Akteur und theologische Autor der Wittenberger Reformation. Siehe Wikipedia ↩︎
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Vermutlich ist gemeint, John Smith (* 1616 in Achurch, Northamptonshire; † 3. August 1652 in Cambridge) Wikipedia ↩︎
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Plotin (altgriechisch Πλωτῖνος Plōtínos, latinisiert Plotinus; * 205; † 270 auf einem Landgut in Kampanien) war ein antiker Philosoph. ↩︎
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Im Original nicht lesbare griechische Zeichen.
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Im Original nicht lesbare griechische Zeichen.
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Origenes (* 185 in Alexandria; † 253 oder 254 wahrscheinlich in Tyros) war ein christlicher Gelehrter und Theologe. Wikipedia ↩︎
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Im Original nicht lesbare griechische Zeichen.
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